Sonntag, 27. Oktober 2019

S / W 8 & 9




["Seafood", Suria Kassimi]




Im September vorigen Jahres begab ich mich in mein Schlafzimmer, öffnete das Fenster weit, verzauberte mich und flog davon. Ich habe es nie bereut. [Wolfgang Hildesheimer »Lieblose Legenden« (1952)]




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"So always look on the bright side of death! Just before you draw your terminal breath"

(Monty Python)



Natürlich habe ich mich in meinen Anfangszeiten an unserem Oberwiedergeborenen versucht und mir, das muss ich gestehen, gehörig die Zähne an ihm ausgebissen. "Also echt jetzt, du meinst ...", Bäumler lachte durch die Nase. "Und ob, genau den meine ich. Natürlich nicht, was ja keiner glaubt, wie er aus dem Grab verschwunden ist. Sondern ich habe ihn brav auf den ersten Rutsch zum Himmel auffahren lassen. Das allerdings vor aller Augen, wie es sich gehört, bloß dass keiner was merkt, wie üblich. Der alte Jesus hat übrigens selber nicht übel gestaunt über seines Vaters Reich, weil gehörig angegammelt, der Alte hatte die Sache auch damals schon nicht mehr recht im Griff. Teilweise muss es regelrecht drunter und drüber gegangen sein im Himmelreich, wen wundert's, schließlich kommt da jeder rein, auch die, die's nicht glauben wollen oder können, nimm's wie du willst." Bäumler fehlte ohnehin jeder Glaube an den Himmel oder sonst überirdische Dinge. Aber das musste er Welck lassen, wenn der erst in Fahrt gekommen war, gab es buchstäblich kein Halten mehr. Jetzt also die Sache mit Jesus, zugegeben ein wenig flotter als in der Kirche ging's in Welcks Komödienstadel zu, und vollends interessant musste es werden, wenn er zum geschäftlichen Teil käme. Der allerdings war wohl auch der Kirche schon gehörig gelungen. Die Frage war nur, welche Schnitte sie mit Welcks Masche aus der Torte abzweigen könnten. "Die Story", fuhr der fort, "ist nicht ganz auf meinem Mist gewachsen, braucht sie auch gar nicht. Jesus, ganz argloser Knallkopf, wie er im Buche steht, hat die bewusste Erleuchtung erfahren und ist als eine Art Hippie unterwegs. Jetzt nicht mehr die Sorte von früher mit den langen Haaren und dem ganzen Quatsch, sondern einfach als Typ in Cordjeans, Pulli und Windjacke. Und er hat seine Mission, also Erlösung der Welt und so weiter. Deshalb macht er Autostop und eine Knalltüte namens Ernst nimmt ihn mit. Jesus macht schnell ein paar Wunder, damit Ernst ihm glaubt. Dem sind allerdings Wunder so was von egal, genauso egal wie Jesus, Gott und das Himmelreich zusammen. Schließlich kommt's auf Erden auf drei Dinge an, du weißt schon, die bewussten." Bäumler wusste natürlich, was Welck meinte, und in Bezug auf die Frauen ging er mit Ernst konform. Jesus war in der Hinsicht wohl eine ähnlich taube Nuss wie Welck, da konnte man nichts machen. "Wie ich dich kenne", meinte Bäumler, "hat Ernst deinem Jesus gehörig den Standpunkt klargemacht." - "Und ob, dass nämlich das Geschäft mit dem Himmel ordentlich den Bach hinunter geht, kein Wunder, es sei ja wohl eine Art Staatsbetrieb da oben. Jesus hielt schwach dagegen, im Gegenteil, es sei eine Art Familienbetrieb. Aber mal ehrlich, meinte Ernst, in dem du als Sohnemann eher nicht die Bohne was zu sagen hast."





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"Any world that I'm welcome to
i
s better than the one I come from"

(Walter Becker/Donald Fagen)



"Zu sterbende Tode von Belang", sagte Tristan zu seinem Banknachbarn, "sind diejenigen, die sich abseits der üblichen Abfallprodukte ereignen. Natürlich fallen wir nicht weit von unserem Stamm und letztlich machen die Würmer auch nur ihren Job. Sollten diese Geschöpfe einmal ernstlich vom Aussterben bedroht sein, mein lieber Herr Nachbar, dann möge ein Omnibus kommen, um uns zu retten – und die brachiale Gewalt der himmlischen Hygiene lässt eine solche Erwägung sicherlich zu." - "Von himmlischen Weichspülern und paradiesischem Duschgel", ergänzte der Nachbar, "sprach auch unser grundgütiger Linzer Pfarrer vor noch gar nicht allzu langer Zeit." - "Der Unschuldswahn unserer Zeit", betonte Tristan, "lässt uns keine andere Wahl als schmale Wege in die Unterwelt einzuschlagen. Schauen Sie sich nur um, Herr Nachbar! Nur ortskundige Führer kennen den Weg." - "Gewiss haben Sie davon gehört", erwiderte der Nachbar, "dass das Tor zur Hölle schon bald zu einem überaus interessanten Reiseziel für verschiedene Arten von Tourismus werden könnte – vom Ökotourismus bis zu extremen Sportarten, so heißt es." - "Schwarzer Sand, soweit man blicken kann", sagte Tristan andachtsvoll.



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