Sonntag, 20. September 2020

Z. Z. X [»Nervensegen« von B. Karl Decker]



["Johannes der Täufer in der Wildnis", Hieronymus Bosch (um 1482)]


Als nun der ganze Leib der Natur in der Räumlichkeit dieser Welt gleichwie im harten Tode erstarret war und doch das Leben darinnen verborgen war, so bewegete Gott den ganzen Leib der Natur dieser Welt am vierten Tage und gebar aus der Natur aus dem aufgegangenen Lichte die Sternen. Denn das Rad der Geburt Gottes bewegete sich wieder, wie es von Ewigkeit getan hatte. [Jakob Böhme »Aurora oder Morgenröte im Aufgang« (1612)]

Einer staunte darüber, wie leicht er den Weg der Ewigkeit ging; er raste ihn nämlich abwärts. [Franz Kafka »Die Zürauer Aphorismen« (1917/18)]

Der Begriff der Ewigkeit ist für uns unfaßbar, weil wir zu ihrer Beurteilung nur die Zeit haben, welche ein endlicher Begriff ist. Ob wir zu der Ewigkeit eine Minute oder eine Million Jahrhunderte hinzutun oder davon hinwegtun, ist gleichgültig, denn es bleibt immer Ewigkeit. [Otto von Corvin »Der Pfaffenspiegel« (1845)]



["Hl. Johannes der Evangelist", Jacopo da Pontormo (1525)]




Präpositionalpredigten (Pfarrersprech)

Gott sei vor dir, wenn du den Weg nicht weißt, Gott sei neben dir, wenn du unsicher bist, Gott sei über dir, wenn du Schutz brauchst, Gott sei in dir, wenn du dich fürchtest. Gott sei um dich wie ein Mantel, der dich wärmt und umhüllt.
Einen Mantel, Herrgott nochmal, zieht doch heutzutage kein Mensch mehr an. Versuch bloß auch mal einer im Mantel ins Auto einzusteigen! Das Auto steht in der geheizten Garage, meins jedenfalls, oder du heizt es dir vor, wenn's denn partout nochmal draußen stehen musste. Wozu gibt's intelligente Technik? Wer den lieben Gott schon braucht, weil's kalt ist, was macht der denn, wenn's wirklich mal'n Problem gibt?
Schutz braucht man, das ist Alltag. Ich sag nur Datensicherheit, überhaupt Sicherheit. Das A und O: rechtzeitig drum kümmern und dran bleiben. Versicherung, zum Teil ja auch unvermeidlich, Beispiel Auto, oder Kredit. Meine Meinung: hinter dir muss etwas stehen, nicht über dir. Das tun sie noch genug, die Versicherungsfritzen, regelrechte Akrobaten vom Kleingedruckten.
Ich sag', auskennen muss man sich. Unsicher sind besser die andern. Alles ein Poker. Die Wimper soll mir erst noch wachsen, wo ich damit zucke! 
Und vorne, mal ehrlich, bin ich am liebsten selber. Der Weg entsteht beim Gehen. Oder gleich Google Maps. Was anderes haben die andern auch nicht. Was heißt da, den Weg nicht wissen? Wege weiß man, oder es sind keine.


Alliterationspredigt (Pfarrersprech II)

Mögen die Regentropfen sanft auf dein Haupt fallen. Möge der weiche Wind deinen Geist beleben. Möge der sanfte Sonnenschein dein Herz erleuchten. Mögen die Lasten des Tages leicht auf dir liegen.
Wer nicht schwer heben kann, der soll verdammt nochmal die Finger von allem lassen, was besser jüngere Leute schleppen. Die wissen noch gar nichts von einem Rücken und sollen sich gern wichtig machen mit etwas so Lächerlichem wie Körperkraft! Bloß Ablenkung von dem, was wirklich schwer ist!
Und dann vor allem Licht, und zwar gutes! Wenn man ein Problem überhaupt erst mal sieht, ist es meist schon keins mehr. Das hebt die Stimmung! Komm mir einer mit "Depressionen"! Der Grund ist: der kann nichts. Wer was kann, der ist nicht mies drauf, warum auch? Was anderes ist Ärger. Es gibt ja kaum jemanden, über den man sich nicht ärgert. Schon dass einem ständig einer im Weg steht! Aber, sag ich, Arsch zusammenkneifen und durch die Zähne pfeifen: Hab' Sonne im Herzen.
Wind, auch so'n Problem. Draußen kannst du praktisch nichts hinlegen, was nicht demnächst irgendwie rumflattert. Schon Zeitunglesen draußen ist eigentlich eine Qual. Und regnen tut's ja sowieso fast immer.


Die Denunzianten (Der Erzählung erster Teil)

Wer sich die Sache mit der Parkzeitbegrenzung auf dem Parkplatz auf einem Abrissgrundstück überlegt hatte, war nicht bekannt. Eigentlich wurde der Parkplatz an dieser beliebigen Stelle der Durchgangsstraße in the middle of nowhere des recht abgeliebten Dorfes auch gar nicht gebraucht. Hier parkte der eine oder andere Anwohner oder auch ein Besucher, meistens gar keiner. Das Schild Parken mit Parkscheibe fand höchstens als Kuriosum Beachtung, und natürlich kannte jeder die Geschichte vom Leiter der Ortspolizeibehörde, der hier auf dem Nachhauseweg am Abend vom Amt einen Abstecher gemacht hatte um Parkscheiben zu kontrollieren. Ein einzelnes Auto hatte dagestanden, nicht bloß, wie man sich denken kann, mit abgelaufener, sondern überhaupt ohne Parkscheibe. Prompt, da es noch nicht 19 Uhr war, wurde Anzeige erstattet. Dafür entschädigte aber der Lacher, der jedes Mal erfolgte, wenn der Verkehrssünder davon erzählte, zumal alle im Dorf den Polizeiamtsleiter kannten, über den auch noch weitere kuriose Geschichten zirkulierten.
Bei solchen Gelegenheiten wurde auch darüber spekuliert, was sonst noch so zur Anzeige gebracht werden könnte, verboten waren schließlich die alltäglichsten Dinge, im Grunde machte man sich auf Schritt und Tritt strafbar, sündigte jedenfalls, wenn man auch nicht zur Beichte musste, dafür wurde man geblitzt, und was schlimmer war als Beten, zur Kasse gebeten, fünfzehn Euro hier, 25 da, das konnte ins Geld gehen. Manche waren aber auch glühende Verfechter des fest installierten Radars, zwecks Verkehrsberuhigung, wozu übrigens jeder Bürger durch "vorschriftsmäßiges" Parken vor seinem Haus seinen Beitrag leisten konnte. Ruhenden Verkehr gab es schließlich ein Mehrfaches im Vergleich zum fließenden. Eigentlich waren stehende Autos geradezu das Gegenteil von Autos überhaupt.
Die beiden Hinzbergers, Rentnerin und Rentner nach vierzigjähriger Berufstätigkeit, leisteten ihren Beitrag sowohl zum fließenden als auch zum ruhenden Verkehr, indem ihnen das Auto ein überaus angenehmer Aufenthaltsort war, mochte es sanft brummend und schaukelnd rollen, oder auch stehen. Ein Dach überm Kopf hatte man jedenfalls, man saß darin abgeschottet, windgeschützt und trocken und konnte den Ausblick nach Belieben variieren, anders als vom häuslichen Fenster aus, wo sich dem Blick bloß die immer gleiche Nachbarschaft bot.
Dort in der Nachbarschaft hatte in letzter Zeit der soziale Druck doch spürbare Formen angenommen. Die Hinzbergers hatten erkennbar bombastisch ihr Haus in einem Neubaugebiet errichten lassen. Die weiter entstehenden Allerweltseinfamilienhäuser, blieben schuldenbedingt hinter dem zurück, was das Rentnerehepaar sich verdientermaßen mit seinem Schmuckstück leistete.
Als solchen, die eher am Platz waren, zollte man den beiden Ergrauten den üblichen Respekt, hörte auch mit dem amerikanisch toleranten halb fragenden ok? die fachmännischen Statements Herrn Hinzbergers an, der im Beruf irgendeine Art Ingenieur gewesen sei, das Genauere hatte man sich nicht gemerkt. Der eine oder andere Bauarbeiter fragte sich indessen, was den alten Mann eigentlich anderer Leute Baustellen angingen, versuchte aber anfangs noch wegzuhören und sonstwie auszuweichen. Dann mussten aber doch auch Widerworte gefallen sein, mehr oder weniger feinfühlende Äußerungen der Ungeduld und des Missfallens, noch dazu hinweg über Sprachbarrieren, weit über die hinaus, des Italienischen nämlich, die man aus seiner eigenen Zeit ja kannte und zurechtzukommen wusste, man musste besonders laut sprechen, duzen und Infinitive verwenden. Die Frechheit anstatt zu verstehen sich einem Kollegen in einer völlig unbekannten Sprache zuzuwenden, schlug dann doch dem Fass den Boden aus.
Ein vorläufiger Höhepunkt des sich in dieser Weise entwickelnden und nach und nach festsetzenden Dissenses zwischen Nachbar und Bauleuten wurde erreicht, als Herr Hinzberger den vergleichsweise ahnungs-, darüber hinaus aber auch arglosen Bauherren Baumängel und Schlampereien erklärte, diese bezüglich des Hauses einerseits ängstigend, andererseits aber auch in Verlegenheit bringend. Mit dem umgänglichen Anführer des Trupps und Vertreter der Firma, mit der sie den Vertrag abgeschlossen hatten, pflegen sie den modern gewordenen kumpelhaften Ton ungefährer Altersgenossenschaft.


Attributpredigt (Pfarrersprech III)

Mögest du warme Worte an einem kalten Abend haben, Vollmond in einer dunklen Nacht und eine sanfte Straße auf dem Weg nach Hause.
Also Thema Heizung: für mich ganz klar, daheim will ich nicht frieren, und ich meine, wirklich nicht frieren!
Auch Licht; was heißt hier Strom sparen? Der Strom wird doch billiger, je mehr man verbraucht, einfaches Marktgesetz. Strom sparen ist also rein verschenktes Geld. Tja, bei Dunkelheit mit kaltem Hintern woll'n die Grünen überwintern.
Da ist natürlich auch nichts mit Straßenbau.


Allessegen (Pfarrersprech IV)

Mögen alle deine Himmel blau sein, mögen alle deine Träume wahr werden, mögen alle deine Freunde wahrhaft wahre Freunde und alle deine Freuden vollkommen sein, mögen Glück und Lachen alle deine Tage ausfüllen, heute und immerzu ja, mögen sich alle deine Träume erfüllen.
Sagen wir mal: Immer schön Wetter kann einem auch auf den Zwirn gehen. Und von den meisten Träumen, mal ehrlich, ist man doch froh, dass es Gott sei Dank bloß geträumt war. Gerade, was man beispielsweise auch ausgerechnet von Freunden träumt. Vollkommener Stuss, wenn man mich fragt. Wo kämen wir auch hin! Mit den Träumen ist es so wie mit kleinen Kindern, die nicht wissen, wann man besser den Mund hält. Der Erwachsene denkt sich seinen Teil und kommt trotzdem auf seine Kosten. Dazu muss man sich auch nicht den lieben langen Tag den Bauch halten vor Lachen. Es soll sich ja schon einmal ein ganzes Volk totgelacht haben, drunten in Afrika, oder so. Überhaupt der südliche Mensch, der reinste Kindergarten!


Mögliches und allzu Mögliches

Möge dein Magen mögen, was die Waagen wögen oder nur immer zu wiegen wagen!



["Spielendes Kind", Hieronymus Bosch (um 1500)]



Blumenpredigt (Pfarrersprech V)

Mögen aus jedem Samen, den du säst, wunderschöne Blumen werden, auf dass sich die Farben der Blüten in deinen Augen spiegeln und sie dir ein Lächeln auf dein Gesicht zaubern.
Grinsen, auch so eine amerikanische Sitte, am besten vor sonst noch einem fotogenen Hintergrund. Dabei denkt kein Mensch an Käse, wenn "cheese" gesagt wird. Die Leute sollen aussehen, wie sie aussehen, Ernst ist nichts Böses! Farben sind normal und dienen der Orientierung, im Normalfall. Das ist auch bei Blumen so. Übrigens blüht alles, bloß das meiste stellt man sich nicht in die Vase.


Irre Nervensägen (Pfarrersprech VI)

Wenn du strauchelst, weil dir die Arbeit zu schwer wird, möge die Erde tanzen, um dir das Gleichgewicht wiederzugeben.
Zu schwere Arbeit, meiner Ansicht nach ganz klarer Fall für die Gewerkschaft. Oder falsches Arbeiten, zum Beispiel ohne das richtige Werkzeug. Das ist sogar bei Büroarbeit nicht anders. Eine Arbeit, die zu schwer wird, ist einfach falsch angepackt. Wenn dann auch noch alles zu wackeln anfangen würde, ja dann gut Nacht!


Wundersegen (Pfarrersprech VII)

Mögest du dir die Zeit nehmen, die stillen Wunder zu feiern, die in der lauten Welt keine Bewunderer haben.
Zeit haben beispielsweise Pfarrer ja. Ich will nicht behaupten, schließlich ist nur sonntags Kirche, denn beerdigt wird ja auch die Woche über.
In richtigen Berufen hat man gerade keine Zeit. Wo du nicht sofort bist, da waren schon drei andere. Wer stille Wunder feiert, der wird sein blaues Wunder erleben, bei dem ist nämlich bald Feierabend.
Lärmschutz ist wichtig und ja auch vorgeschrieben. Richtig mal die Wände wackeln lassen, das braucht der Mensch aber auch. Die Stones. ACDC. Gott sei Dank ist die Welt laut. Wo Betrieb ist, da ist auch Krach. Jeder freut sich aufs Wochenende, aber doch nicht zum Trübsalblasen.


Parallelpredigt (Pfarrersprech VIII)

Nimm dir Zeit zum Träumen, das ist der Weg zu den Sternen. Nimm dir Zeit zum Nachdenken, das ist die Quelle der Klarheit. Nimm dir Zeit zum Leben, das ist der Reichtum des Lebens. Nimm dir Zeit zum Freundlichsein, Gott sei neben dir, wenn du unsicher bist, das ist das Tor zum Glück.
Absichtlich zu Träumen ist wie Lachen auf Kommando. Nach den Sternen schaut ja auch der Hans-guck-in-die-Luft.
Nachdenken allerdings geht auf Kommando und sogar mit dem Blick nach oben, oder besser nach innen. Aber aufgepasst, da fängt auch bald die Spinnerei an. Also besser genau hinsehen!
Wer etwas fertigbringt, der hat auch Zeit und somit gute Laune, ganz ohne künstliche Freundlichkeit. Ewiges Grinsen aus Unsicherheit kann mir gestohlen bleiben!



Donnerstag, 10. September 2020

Z. Z. IX [»Update: Generation Z.2«]



["They Are Watching Us", Lorena Kirk-Giannoulis (2013)]



For nothing is fixed, forever and forever and forever, it is not fixed; the earth is always shifting, the light is always changing, the sea does not cease to grind down rock. Generations do not cease to be born, and we are responsible to them because we are the only witnesses they have. The sea rises, the light fails, lovers cling to each other, and children cling to us. The moment we cease to hold each other, the sea engulfs us and the light goes out. [James Baldwin]




["Small Attempt", Lorena Kirk-Giannoulis (2018)]



Vom Tod und dem Umgang der Menschen damit


I am not afraid of death because I don´t believe in it. It´s just getting out of one car and into another. [John Lennon]


Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt. [Bertolt Brecht]


Der Tod ist unfassbar. Nicht nur, weil er unbegreiflich für die Lebenden ist, sondern auch, weil wir, die Zurückgebliebenen, den Tod nicht er-leben. Wir stehen daneben, trauern, weinen und leiden. Aber wir wissen nicht wirklich, was es bedeutet, tot zu sein. Die, die dort vor dem Grab stehen und auf den Sarg hinabblicken, können nur erahnen, was dieses Schicksal für sie bedeuten wird. Die Anwesenheit des Todes ist die Abwesenheit des Lebens. Und wir wissen, niemand kommt hier lebend raus. Vielleicht befassen wir uns deswegen auch so wenig damit. Diejenigen zumindest, die nicht aufgrund ihrer Arbeit täglich damit konfrontiert werden, wie Ärzte, Pfleger und Bestattungsunternehmer.
Auch für mich ist der Tod immer weit weg gewesen. Es ist etwas, was entweder in fernen Ländern passiert oder wenn er näher rückt, dann doch zumindest etwas, das bloß anderen geschieht. Alte Leute sterben, aber ich bin jung. Kranke Menschen sterben, aber ich fühle mich gesund. Große Katastrophen hinterlassen tausende Opfer, aber diese Zahl ist so abstrakt, dass mein Vorstellungsvermögen nicht ausreicht, um wirklich trauern zu können oder Angst um mein eigenes Leben zu verspüren. So erfasste am 26. Dezember 2004 in Südostasien ein Tsunami Landstriche entlang des Indischen Ozeans und 230.000 Menschen kamen dabei um. Ich war erst 3 Jahre alt zu diesem Zeitpunkt, aber selbst heute kann ich mir diese enorme Zahl an Todesopfern nicht bildlich vorstellen. Dabei wurde quasi die Einwohnerzahl einer gesamten mittelgroßen deutschen Stadt ausgelöscht, wenn man diesen Vergleich ziehen möchte. Aber wer möchte das? Es ist schlimmer als der gruseligste Horrorfilm. Ein Film kann niemals so schrecklich sein wie die Realität. Auch wenn dort gestorben wird. Mitunter auf Arten, die sich ebenfalls kein Mensch vorstellen mag. Dennoch sind gerade Horrorfilme durchaus populär. Vielleicht weil es genauso als Ventil dient wie Komödien. Aber während Komödien uns meistens vergessen lassen, wie mitunter grausam der Alltag und die Realität (und insbesondere der Tod) sind, so wirken Horrorfilme in die entgegengesetzte Richtung. Es kann alles viel schrecklicher und gruseliger wirken. Der Tod passiert (je nach Film sogar im Minutentakt) und der Film konfrontiert uns damit. Aber hier noch mehr als im Alltag haben wir die Gewissheit, er geschieht jemand anderem. Dem neugierigen Nachbarn, dem unvorsichtigen Teenager, dem sich überschätzenden Polizisten. Auch hier muss ich mich nicht wirklich mit dem Tod und seinen Folgen auseinandersetzen. Aber ich tue es, hier und jetzt. Letzten Monat verstarb meine Großmutter und da bewies das Leben, der Tod ist nah. Persönlich und nah. Nicht abstrakt, nicht fern.
So führt es mir vor Augen, dass niemand vor Krankheit, und in der Folge auch Tod, geschützt ist. Gegen manches ist man immun, aber niemals gegen alles. Unfälle, Tragödien, Morde passieren täglich und rund um den Globus. Der Tod macht nicht halt vor Babies wie vor Rentnern, er unterscheidet nicht zwischen Schuld oder Unschuld. Irgendwo läuft die Zeit für jeden ab. Was würde dies für mich persönlich bedeuten? Abgesehen vom Offensichtlichen. Meiner Familie, meinen Freunden nicht mehr begegnen, nicht mehr mit ihnen reden, streiten, lachen oder weinen zu können. Keine Umarmungen mehr, kein weiterer Kuss, kein letzter Tanz. Und was kommt danach? Gibt es ein danach? Und weitergehend die Frage, ist es relevant, ob es ein Danach gibt? Denn wenn ich die Zeit im Diesseits nicht für ein erfülltes Leben nutze, was hätte ich dann von einem weiteren Dasein im Jenseits? Wer sagt mir denn, dass ich die Zeit dort besser verwenden würde? Überhaupt, die Zeit. Wie viel bleibt mir davon? Tage, Wochen, Monate oder Jahre? Vielleicht nicht einmal mehr Stunden? Zumindest schnell sollte der Tod aber doch bitteschön kommen: Kein Dahinsiechen, durch Maschinen am Leben erhalten werden, die einem lediglich erlauben, nicht schneller zu sterben, aber die es einem nicht ermöglichen, ein lebenswertes Leben zu leben. Wobei sich die Frage, was überhaupt lebenswert sei, jeder selbst beantworten muss. Eine allgemeine Antwort verbietet sich, da niemand einer anderen Person die Definition davon aufzwingen kann. Was für die einen Freude an der Arbeit ist, ist für andere das Reisen, Lesen, Faulenzen, gutes Essen, die Begegnung mit Freunden oder Alleinsein und Ruhe.
Ich habe einmal einen Spruch gelesen, der besagt, es sei nicht wichtig, wie viel Zeit man im Leben hat, sondern wie viel Leben man in diese Zeit packe. Dieser Spruch hat mich sehr bewegt. Denn gleich wie viel Zeit bleibt, ich möchte sie auf keinen Fall verschwenden. Denn da ich, wie wohl jeder andere Mensch auch, nicht weiß, wie viel Zeit mir auf der Erde bleibt, möchte ich nicht erst darauf warten, bis mir ein Arzt erklärt, dass ich so gut wie keine Zeit mehr habe, bevor ich intensiver mit ihr umgehe und jede Sekunde auskoste. Der Tod sollte uns nicht daran erinnern müssen zu leben.
Auch sollten wir meiner Meinung nach nicht in seinem Angesicht erstarren wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Denn so bleiben wir Gefangene unserer Angst. Wenn er uns beschäftigt, dann doch in dem Sinne, dass wir uns seiner bewusst sind und am Ende sagen können, es war schön. Zwar hätte ich gern auch noch mehr davon gehabt, aber nun, da es soweit ist, kann ich mir wenigstens nichts vorwerfen. Verglichen mit einem Fußballspiel: Ich habe nicht nur auf der Reservebank gesessen. Ich war Spieler. Aktiv. Vielleicht gab es einige Fehlpässe, aber das gehört eben dazu. Mir gefällt der Gedanke, wie andere Kulturen mit dem Tod umgehen. So werden in Mexiko und Ghana Feste gefeiert. Es wird auch getrauert über den Verlust, aber im Grunde genommen, wird das Leben gefeiert. Und ist das nicht ein schöner Gedanke für die Person, die verstorben ist? Zu wissen, die Menschen, die zu meiner Beerdigung kommen, dürfen weiterleben und sich im Endeffekt freuen, ein Teil meines Lebens gewesen zu sein? Sie nehmen zwar Abschied, aber die Toten leben in der Erinnerung weiter. Und deswegen sollte der Weg bis dahin mit den schönsten Erinnerungen gepflastert sein. Denn diese werden bleiben und weitergetragen. [Sophia Pellens]



["Small Things", Lorena Kirk-Giannoulis (2013)]



Rassismus


Rassismus. - Ein Begriff, den jeder schon einmal gehört, benutzt oder sogar am eigenen Leib erfahren hat. Doch woher stammt er und warum existiert er überhaupt?
Der Ursprung findet sich in der Kolonialisierung Afrikas und vor allem Südamerikas, wo Millionen von dunkelhäutigen Menschen versklavt wurden. Sie wurden eingesetzt zur Ausbeutung der Rohstoffe, mussten unter sehr schlechten Bedingungen arbeiten, ob als Arbeiter auf dem Feld oder als Bedienstete. Afroamerikaner waren - und sind noch immer - weißen Menschen untergeordnet, haben kaum Mitspracherecht und werden schlecht behandelt. Als „Sklaven“ kamen sie oftmals aus schlichten Verhältnissen und hatten nicht die besten Lebensumstände. Auch wenn es bewiesenermaßen keinen maßgeblichen Unterschied unter den menschlichen Lebewesen geben dürfte und somit alle Menschen gleichgestellt und den gleichen „Wert“ besitzen sollten, ist Rassismus in den Köpfen vieler Menschen noch heutzutage fest verankert. Besonders stark ist dies in dem von Sklaverei geprägten Kontinent Nordamerika vorzufinden, wo es in der Gegenwart wieder häufig zu menschenverachtender Polizeigewalt kommt.
Dieses Thema ist momentan sehr aktuell, da es am 25. Mai 2020 zur Ermordung eines farbigen Mannes kam, verursacht von vier weißen Polizisten. Der Name des festgenommenen Mannes war George Floyd, welcher wehrlos am Boden lag, keine Luft mehr bekam, während einer der Polizisten ihm mit dem linken Knie im Nacken saß. Nachdem dieser bewusstlos wurde und ein Krankenwagen den Ort des Geschehens erreichte, wurde er abtransportiert. Alle Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Die vier Polizisten Derek Chauvin, Tou Thao, J. Alexander Kueng und Thomas Lane wurden gegen Kaution entlassen.
Dieses Ereignis zog große Aufmerksamkeit auf sich, weshalb es zu zahlreichen Protesten und Demonstrationen unter dem Motto „Black Lives Matter“ auf der ganzen Welt kam. Um diese Proteste unter Kontrolle zu bekommen, werden Polizisten eingesetzt, welche bei weitem kein menschliches Verhalten bzw. Verstand aufweisen. Manche von ihnen behandeln Menschen wie Dreck, manche haben jedoch auch Anstand und entschuldigen sich, knien vor den Menschen, für Taten, die sie selbst gar nicht begangen haben. Nichtsdestotrotz kam es im Laufe der letzten Wochen zu zwei weiteren Ermordungen, verursacht von Polizisten, wobei man meinen sollte, dass sie aus ihren Fehlern gelernt hätten. Aus diesem Grund verschärfte sich die Lage in Amerika enorm.
Auslöser all dieser Ereignisse ist derzeit auch der amerikanische Präsident Donald Trump, welcher diese Taten durchgehen lässt, ja sogar unterstützt. In Situationen, in denen die amerikanische Bevölkerung ihn braucht, auf seine Hilfe hofft, verbarrikadiert er sich im Bunker des Weißen Hauses.
Der „mächtigste Mann der Welt“ sucht Schutz vor den Protesten! - wenn das nicht irrwitzig ist. Für ihn sind die friedlich Demonstrierenden Terroristen und aufgrund dessen möchte er nicht nur Polizisten einsetzen, sondern auch Kampfverbände seiner Armee in die Innenstädte schicken, um gegen die „Terroristen“ vorzugehen. Trumps ehemaliger Verteidigungsminister ist der Meinung, dass Trump der erste Präsident sei, der sich nicht darum bemühe, das Land zu vereinen, sondern seit drei Jahren versuche, das Land zu spalten.
Diese Aussage eines ehemals Trump sehr nahestehenden Ministers spricht für sich und erklärt womöglich sein Verhalten. Er ist nicht auf Vereinigung aus, sondern auf Spaltung. Barack Obama jedoch war der erste farbige Präsident in Amerika und hatte somit offenkundig eine völlig andere Sichtweise auf Rassismus. In seiner Zeit als Präsident sprach er den Menschen, besonders den Afroamerikanern, Mut zu und gab ihnen das Gefühl, dass alle Menschen das Recht haben in Frieden zu leben. In seiner Regierungszeit ging der Anteil an öffentlichen rassistischen Äußerungen drastisch zurück, da ein viel stärkeres Gefühl von Gemeinschaft und Gleichheit vorhanden war. Durch Trumps Art und Weise mit der Situation umzugehen, handelt er gegen das, was Obama in seiner Amtsperiode aufgebaut hatte: Ein friedliches Miteinander von farbigen und weißen Menschen.
In der Vergangenheit haben sich bereits große Persönlichkeiten für Farbige eingesetzt, mit dem Ziel, Menschenrechte einzufordern. Sei es Martin Luther King, der mit seiner bekannten Rede „I have a dream“ genau dies erreichte, oder Nelson Mandela, der daraufhin Präsident von Südafrika wurde. Dies könnte sich, aufgrund der notwendigen Proteste, jetzt erneut wiederholen.
Rassismus ist Alltag. Das Problem auf der ganzen Welt ist, dass unsere Gesellschaft von Hass überfüllt ist. Menschenverachtung findet sich nicht nur mit Bezug auf die Hautfarbe, sondern auch innerhalb der Religionen, abweichender sexueller Neigungen oder lediglich aufgrund der anderen Herkunft eines Menschen. Das Traurige ist, dass die Menschheit wohl nie begreifen wird, dass es keinen Unterschied unter den Menschen dürfte. Zumindest sollte es meiner Meinung nach so sein, denn nur so kann es letztlich zu einem andauernden Weltfrieden kommen; ohne Krieg, Gewalt und Hass. Denn am Ende eines jeden Tages sind wir alle bloß Menschen, Lebewesen aus Fleisch und Blut, von derselben Art Mensch abstammend, die sich abends zu Bett legen, schlafen, wieder aufstehen und denselben Irrsinn immer und immer wieder erleben. Unsere Welt ist bunt und vielfältig; Rassismus sollte also inexistent sein. [Katherina Schäfer]



Black Lives Matter – … bloß ein Trend?


Große Demos überall, schwarze Bilder werden in den sozialen Medien seit ein paar Monaten gepostet, - doch warum erst seit kurzem? Dass es solche Demos und Vorträge schon seit 2013 gibt, wird nicht erwähnt. Zahlreiche Menschen starben durch polizeiliche Gewalt und Rassismus. Aber die große Bewegung begann erst, als ein schwarzer Mann von der Polizei niedergedrückt wurde, so dass er zunächst nach Luft ringen musste und schließlich an seinen Verletzungen starb, was man sogar filmte und ins Netz stellte, damit der Vorfall die Aufmerksamkeit bekam, die er verdiente, und sich immer mehr Menschen damit beschäftigen.
Die Tatsache, dass diese Auseinandersetzung nur ein „Trend“ war, zeigte sich dadurch, dass sich die meisten Leute nur ein paar Tage lang mit dem Thema beschäftigten - oder annehmen, es genüge, ein schwarzes Bild in den Medien zu posten, um hierdurch Leben zu retten und den Rassismus ein klein wenig zu reduzieren. Aber was soll es denn bringen, ein schwarzes Bild zu posten? Wahrscheinlich denken diese Leute, dass die Polizisten nun nachdenklich würden oder Rassisten sich auf einmal sagen: „Oh, die haben ein schwarzes Bild mit #BlackLivesMatter gepostet! Ich höre jetzt auf damit!“ Garantiert nicht! Die meisten Leute, die etwas posteten, dachten sich vermutlich bloß, dass dies gerade angesagt sei und man dann eben mitmachen müsse. Worum es eigentlich geht, interessiert die wenigsten - und genau das ist das Problem bei der Sache: Wenn man schon etwas so an die Öffentlichkeit bringt, sollte man auch dafür sorgen, dass nicht schon nach ein paar Wochen die Aufmerksamkeit verloren geht; und man sollte sich damit beschäftigen, worum es bei solchen Demonstrationen wirklich geht. Schon oft genug wurde auf Demos die polizeiliche Gewalt gegen Schwarze - oder eher: coloured people - bestätigt und in der Folge weiter ausgeübt, aber es wurde nur selten etwas dagegen unternommen. Lässt man diese Aufmerksamkeit wieder fallen und kümmert sich nicht mehr darum, waren diese Aktionen umsonst und die Geschichte wiederholt sich insofern, als dass die Betroffenen nach wie vor Angst haben müssen, in einen Laden zu gehen, da sie dort sofort beobachtet und verdächtigt werden zu klauen, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben. Auf diesen „Trend“ sind für ein paar Tage die ganzen Influencer und  Stars aufgesprungen  und zeigten ihr Mitgefühl; ein paar Tage später kommen von diesen Leuten keine Kommentare mehr und sie haben offensichtlich mit der Sache abgeschlossen, da sie ihren Teil dazu ja bereits beitrugen.
Dass ein derart wichtiges Thema heute nur für ein paar Tage die Öffentlichkeit erreicht, ist durch nichts zu rechtfertigen und man sollte sich mehr darum kümmern, dass solche Vorfälle im Gespräch bleiben und konsequent gehandelt wird, anstatt darum, wie viele Likes man auf einen Post bekommt, der mit diesem Thema zu tun hat. Wenn man mitbekommt, dass Menschen ungerecht behandelt werden, sollte man etwas dagegen unternehmen und nicht nur seine Kamera auf das Geschehen halten und schauen, was die Leute im Netz später dazu sagen. Man kann nur hoffen, dass solche Aktionen sich bei dem einen oder anderen eingeprägt haben und im Gespräch bleiben - und dass weiterhin für Gleichberechtigung gekämpft wird und sich die Betroffenen nicht unterkriegen lassen. [Shakira Görtz]



Denkanstoß


Im Fach Geschichte lernt man, dass der Nationalsozialismus vor rund 80 Jahren grauenhaft und abstoßend war. Es wird von den Lehrern gepredigt, dass so etwas nie wieder passieren dürfe. Aber wer tut wirklich etwas dafür? Rassismus ist doch unser ständiger Begleiter, sei es in den Medien, in der Schule oder sonst im Alltag. Worin gründet die Abneigung gegen Fremde? Oft lässt sich bemerken, dass sich gerade die ärmere Bevölkerung gegen Ausländer ausspricht. Es wird behauptet, ihretwegen bekäme man keine Arbeit; offenbar brauchen sie Sündenböcke für ihre Misere. Die Hetze findet natürlich auch auf Social Media statt, wo auch die AfD ihre Instagramseite hat: "Flüchtling, Ausländer und Mann mit Migrationshintergrund". Auch die mittlere Bevölkerungsschicht wird aufgestachelt. Was tun die, die sich nicht als Rassisten sehen? Einen Post auf Instagram hochzuladen, in dem "Gegen Rassismus" steht, scheint mir kaum der Weg zu sein, auf dem man etwas bewirkt. Es reicht auch nicht sich T-Shirts zu kaufen, auf denen "Fuck Nazis" steht. Bei einer Konfrontation mit Rechten erhöht das jedenfalls nicht die Chancen. Für Menschen einzutreten, die jedenfalls ein Recht haben hier zu leben, bedeutet Risiken einzugehen. Wahre Helden gegen Rechts sind solche, die nicht einfach vorbeigehen und die Augen verschließen, sondern dazwischen gehen, wenn jemand beschimpft, bespuckt oder verprügelt wird.
Doch wie sah es in Zeiten des Nationalsozialismus aus damit, seine politische Einstellung zu zeigen und zu vertreten? Was haben Menschen, die im Nationalsozialismus lebten, dagegen getan? Ein konkretes Beispiel kann ich nennen, und es betrifft mich selber, denn es geht um meinen Ur-Urgroßvater Johann Becker, der ein überzeugter Kommunist war und diesen Standpunkt auch aktiv vertrat. Weil er eine Hakenkreuzfahne vom Mast gerissen und verbrannt hatte, musste er zehn Jahre ins KZ; seine Frau und die Kinder sah er daher lange nicht. Das war aber kein Einzelfall. Es gab viele Menschen, die im Untergrund gegen Hitler arbeiteten und sogar dafür hingerichtet wurden. Das nur als Denkanstoß, falls Sie einmal in die Situation geraten sollten, jemandem helfen zu können; denn wenn es so weiter geht, gibt es bald wieder Konzentrations- und Vernichtungslager. [Anna-Lena Breunig]



["Around Me", Lorena Kirk-Giannoulis (2013)]


Konsum


Würden meine Großeltern heute noch leben, so wären sie geschockt vom Konsumverhalten der Menschen. Von Menschen, die immer mehr kaufen, konsumieren und eigentlich nicht benötigen, von Müllbergen, die immer größer werden und vor allem von der verloren gegangenen Handwerkskunst der Menschen. So haben sie früher selbst ihre Brote gebacken, ihr Gemüse angepflanzt und mit Stolz präsentiert. Auf Märkten ihre Ware verkauft und neue noch nicht vorhandene Produkte gekauft. Gewürze, besonderes Gemüse und edle Stoffe, waren Luxusgüter. Die guten Zeiten wurden geschätzt und vor den schlechten hatte man Respekt und auch Ängste plagten einen. Während des ersten Weltkrieges starben Menschen an Hunger und Unterernährung. Die Arbeitskräfte fehlten auf dem Land und Städte konnten schlecht versorgt werden. Die Menschen hatten Angst, sie begannen auf dem Schwarzmarkt und auf Hamsterfahrten einzukaufen. Viel war nicht mehr da, die Lebensmittel wurden knapp, Brot und Kartoffeln wurden an Schweine verfüttert, um diese für einen hohen Wert weiterverkaufen zu können. Wertgegenstände wurden gegen Brauchbares, wie Mehl und Eier, getauscht. Zucker wurde beliebt, die lange Lagerung, der niedrige Preis und die kurzzeitige Hungerstillung, machten ihn so interessant und wichtig. Jugendliche halfen beim Sammeln von Obstkernen und bei der Gewinnung von deren Fetten. Es wurde taktisch klug und nicht nach Gelüsten eingekauft. 1933 wurde für die fehlenden Produkte billigerer Ersatz gefunden. Man sollte mit weniger auskommen, regional kaufen, um im Ernstfall unabhängig von Nachbarländern zu sein. Schlau gedacht, jedoch ging dies schief und es kam zu Engpässen. Eintöpfe wurden als Resteverwertung gekocht, sämtliches Gemüse in Salzlösungen haltbar gemacht. Das einseitige Essen führte zu Mangel an Vitaminen und dies wiederum zu Krankheiten wie Tuberkulose. Das Zeitalter meiner Großeltern und die damalige Konsumgesellschaft war geprägt von Hunger, Existenzängsten und Tod. Ein Ende nahm dies mit dem Anstieg neuer Kochgeräte oder dem Kühlschrank, der eine längere Lagerung der Produkte ermöglichte.
Das Konsumverhalten der heutigen Generation hat sich geändert. Ein Gesundheitsbewusstsein und eine Sensibilität für den eigenen Körper hat sich entwickelt. Kalorienarme und gesunde Gerichte, wie Salat, Fisch und Gemüse finden ihren Weg auf den Teller. Reine Bioläden mit regionalem Gemüse und Obst werden eröffnet, diese werden dementsprechend auch gekennzeichnet. Das gemeinsame Essen ist durch den unterschiedlichen Tagesrhythmus der einzelnen Familienmitglieder nur noch am Wochenende möglich. Bundesinstitute für Risikobewertung, Bundesämter für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherung werden gegründet und sollen die Qualität der Lebensmittel kontrollieren. Clean Eating oder Paleo-Ernährung werben für den puren Geschmack und verzichten vollständig auf Zucker und Zusatzstoffe, die den Geschmack verfälschen könnten. Vegetarische und vegane Gerichte werden immer beliebter. Gemüse und Obst werden in flüssiger Form, als Smoothie, besonders von Jugendlichen, Sportbegeisterten verzehrt. Auch die Umwelt soll vom neuen Konsum profitieren.
Der Coffee-To-Go ist eine schnelle Art seinen Kaffee zu genießen und mit einem eigenen Becher spart man hier auch noch an Ressourcen. Viele Food Blogger teilen ihr Essen mit der ganzen Welt; so wird dies zum Bestandteil der digitalen Welt. Unser Zeitalter und die heutige Konsumgesellschaft ist nicht mehr von Angst und Hunger geprägt. Durch viele Neuerungen und Geschehnisse der Vergangenheit fanden neue Produkte, wie exotische Früchte, den Weg in deutsche Supermärkte. Wir haben eine große, meist zu große Auswahl an Lebensmitteln, die wir bis jetzt unbegrenzt überall erhalten können. Einem selbst bleibt überlassen, wie und wie viel man konsumiert. Unsere Vorfahren hatten keine andere Wahl und nicht die Möglichkeiten, die wir heute haben. Da war der Kampf ums Überleben wichtiger als seine Gelüste zu stillen.
Im Jahr 2020 bricht ein Virus aus und die Welt steht plötzlich still. Supermarktregale erinnern an die Jahre der Nachkriegszeit. Die beliebtesten Produkte sind nach wie vor Kartoffeln, Mehl und Dosennahrung, da diese länger haltbar sind. Doch wird dieses Ereignis genügen, um das Verhalten der Menschen zu verändern oder muss es erst wieder Tote geben? Selbst Brot backen, um fern von Menschen in überfüllten Supermärkten zu sein, gewinnt wieder an Bedeutung. Doch wie lange werden Menschen dies durchhalten? Das wird die Zukunft zeigen. Menschen werden immer bequemer, greifen zu Fertigprodukten und Tiefkühlware. Das Gesundheitsbewusstsein schwindet; Zeit und Lust fehlen. [Giuseppina Gallace]



Deutschland und der Katastrophenfall


Jeder der in der letzten Zeit in den Medien unterwegs war, wurde im Jahr 2020 mit einem Thema ganz besonders konfrontiert: „Katastrophen“. Laut Definition des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sind Katastrophen Vorfälle, die das Leben und die Gesundheit sowie die Lebensgrundlage vieler Menschen gefährden und nur durch die Mithilfe der Behörden und Hilfsorganisationen bewältigt werden können. Von Anbeginn der Menschheit hinterlassen Katastrophen in deren kollektivem Gedächtnis Angst und Schrecken.
In der Regel unterscheidet man zwischen zwei Arten von Katastrophen, nämlich solchen, die natürlichen Ursprungs sind, wie zum Beispiel ein Hochwasser, das durch sintflutartige Regenfälle verursacht wird, oder denjenigen, die von Menschen erzeugt werden, wie etwa ein Flugzeugabsturz in einem Wohngebiet. Wenn es zu so einem oder anderen Vorfällen kommt, greifen staatliche Hilfen von Bund, Land und Kommune. So koordinieren die Katastrophenschutzbehörden die Hilfseinsätze mit Unterstützung des Technischen Hilfswerkes der Feuerwehr sowie der privaten Hilfsorganisationen und des Deutschen Roten Kreuzes. Diese Organisationen können dann je nach Größe des Schadenfalls im jeweiligen Bundesland von der oberen oder im Landkreis unter einheitlicher Führung der unteren Katastrophenschutzbehörde zusammengezogen werden. Hierbei obliegt dem Landrat die Leitung der unteren Katastrophenschutzbehörde auf kommunaler Ebene. Auf Landesebene hat der Ministerpräsident die leitende Verantwortung. Diese werden jeweils von einem Krisenstab unterstützt.
Doch was geschähe bei einem Großschadensereignis, wenn Mittel so gekürzt würden, dass der Staat als auch die vorgesehenen Hilfsorganisationen handlungsunfähig wäre? Schließlich stand nach der deutschen Wende aus Kostengründen die Existenz und Fortführung des Technischen Hilfswerkes auf dem Spiel und die Mittel für den Katastrophenschutz wurde drastisch gekürzt und ganze Einheiten und deren Bestände bei Feuerwehren und Sanitätsorganisationen wurden aufgelöst. Die Folgen waren in der jüngsten Coronapandemie deutlich spürbar. So standen Hilfskrankenhäuser, die noch vor Jahren auf Katastrophenschutzplänen ausgewiesen waren, nicht mehr zur Verfügung, was dazu führte, dass man unter suboptimalen Bedingungen Notunterkünfte in Schulsporthallen errichtete.
Bei der Fahrzeugausstattung von Feuerwehrfahrzeugen verzichtete man aus Kostengründen weitestgehend auf Allradantrieb bzw. Geländetauglichkeit, was ein Befahren von schwierig zugänglichem Gelände mit Trümmern und Geröll für diese fast unmöglich machte.
In der jüngsten Vergangenheit ging man im Katastrophenmanagement wohl eher davon aus, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Und falls dann doch etwas Unerwartetes eintritt, rät das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Essen und Trinken für zehn Tage zu bevorraten sowie Hygieneartikel und eine Erste-Hilfe-Ausrüstung bereitzuhalten.
Jedoch darf die Frage gestellt werden, ob das ausreicht und ob der Staat und die Hilfsorganisationen in Form von Szenarienbesprechungen und großangelegten mehrtägigen Übungen noch mehr machen könnten, um das Chaos im Ernstfall zu minimieren.
Provokant kann man die Frage stellen, ob die präventive Verknappung der monetären und personellen Ressourcen die relativ selten auftretenden Katastrophenvorkommnisse rechtfertigen. Jedoch muss dem dann auch die Risikobereitschaft auf Kosten von Menschenleben entgegengehalten werden. Daher gilt auch hier die alte soziologische Weisheit, dass das Wirtschaftssystem neben anderen Systemen auch das System des Katastrophenschutzes dominiert. Die Präferenzen definieren die Politik und die Geschichte. [Noah Besch]


Moderne Piraterie


Noch heute gibt es Piraten, die rauben, plündern, morden und Schiffe kapern. Der Unterschied der modernen Piraterie besteht in der fortschrittlichen Ausstattung und Organisation. Diese gewerbsmäßige Piraterie findet sich vor allem im Golf von Guinea, dem Golf von Aden sowie vor der Küste Somalias. Durch die stetige Verarmung eines Landes wie beispielsweise Somalia, entstehen vor den Küsten solcher Länder immer mehr rechtsfreier Raum, da der Staat kaum Mittel aufbringen kann, um mit nationaler Hilfe die Gewässer zu kontrollieren. Dies verschafft den Piraten stetig steigenden Handlungsspielraum, ihre kriminellen Geschäfte zu erweitern. Für den Nachwuchs an  Piraten sorgt oftmals die stark verarmte Bevölkerung, da für viele dort lebende Menschen, die Kriminalität der einzige Weg ist, sich und ihre Familien zu ernähren. Daraus entstehen gut organisierte Syndikate, die immer neue Wege der Geldbeschaffung entwerfen. Bis vor einigen Jahren zum Beispiel war das Ziel der Piraten, die Fracht eines Schiffes zu erbeuten und diese dann zu verkaufen. Jedoch hat sich das Vorgehen der Piraten verändert und mehr denn je setzen diese auf Entführung und Erpressung. Dabei werden gezielt Schiffe überfallen, um Geld für die Besatzung an Bord zu erpressen, damit diese am Leben bleibt. Für die unbewaffneten Handelsschiffe ist es fast unmöglich, einen Piratenangriff abzuwehren. Die Piraten sind mit Schnellboten sowie Satellitentelefonen und Maschinengewehren ausgerüstet und verfügen über gut strukturierte Netzwerke untereinander sowie zu Mittelsmännern und Geldgebern, die zudem auch Ausbildungscamps finanzieren.
Um die Schifffahrtswege sicherer zu machen und die Piraterie einzudämmen, haben verschiedene Staaten mit Hilfe der Nato ein internationales  Bündnis geschaffen. Die Nato ist im Zuge der Operation „ATALANTA“ an diesem Einsatz beteiligt. Diese Mission unterstützt nicht nur den Kampf gegen Piraten, sondern auch die Sicherung der notwendigen Hilfsgüter für Somalia. Dies sollte man meiner Meinung nach verstärken und den Kampf gegen Piraten soweit eindämmen, dass mehr finanzielle Mittel zum Ausbau der Infrastruktur in Somalia vorhanden sind. Das Ziel sollte sein, die Piraterie für einen längeren Zeitraum zu verhindern und dies erreicht man nicht, indem man mit Gewalt gegen Gewalt vorgeht, sondern den Menschen in diesem Land aus der Armut hilft, damit diese nicht auf solch kriminelle Wege geraten, um ihre Familien ernähren zu können. Grundsätzlich sollten auf der ganzen Welt friedvolle Konfliktlösungen an erster Stelle umgesetzt oder überhaupt einmal der Versuch gemacht werden, eine friedvolle Lösung zu entwickeln. Dies ist jedoch zur Seltenheit geworden, was meines Erachtens das Wesen unserer Gesellschaft aufzeigt, getreu dem Leitfaden „Gewalt gegen Gewalt“. Denn in unserer heutigen Zeit wird demjenigen, der jemandem Leid antut, nicht die andere Wange hingehalten, sondern es wird mit noch größerer Brutalität zurückgeschlagen; ebenso im Kampf gegen die Piraten. Es mag gut sein, dass sich gegebenenfalls nicht alle von Gewalt abbringen lassen, würde man jedoch das Geld aus dem Militäreinsatz in die Verbesserung der Infrastruktur stecken, könnte man den Menschen eine Lebensgrundlage schaffen, damit ihre Existenz nicht mehr so bedroht ist, dass sie mit einer auf Unschuldige gerichteten Kalaschnikow ihre Familien ernähren müssen. [Jonas Stoll]



["Around Me II", Lorena Kirk-Giannoulis (2013)]



Digitalisierung an Schulen


Heutzutage spielt die Digitalisierung eine ziemlich große Rolle in unserem Leben. Sei es zu Hause, auf der Arbeit oder sogar in der Schule, ohne Internet läuft heute kaum noch etwas. Wie weit wird die Digitalisierung an Schulen in ein paar Jahren sein? Werden wir noch einen normalen Stift und ein Blatt Papier zum Schreiben benutzen oder wird auch das alles digitalisiert? Diese Fragen werden sich wahrscheinlich einige von uns ziemlich oft stellen.
Früher benutzten die Schüler sogar nur eine Tafel zum Erledigen von Hausaufgaben oder Arbeitsaufträgen in der Schule. Einige Jahre später kamen die Schulhefte zum Einsatz, welche bis heute noch verwendet werden; zwar nicht mehr von allen Schülern, jedoch von den meisten. Die anderen Schüler, die keine normalen Schulhefte mehr verwenden, verwenden nun Tablets zum Arbeiten in der Schule. Diese Tablets werden jedoch nicht von der Schule gestellt, sondern die Schüler müssen sie selbst erwerben. Ich selbst spiele auch öfter mit dem Gedanken, mir ein solches Tablet zuzulegen, jedoch stelle ich mir dann die Frage, ob es sich für den normalen Schulbetrieb überhaupt lohnt und ob ich damit überhaupt klarkomme. Um dies herauszufinden, müsste ich mir ein Tablet zulegen, doch sind diese Geräte nicht gerade billig, weshalb ich mir bis heute keins zugelegt habe. Auf der einen Seite sind Tablets eine gute Idee für den Schulbetrieb, denn man benötigt keine Blöcke oder Stifte mehr, d. h. man muss nicht mehr so viel einpacken, was sehr gut für den Rücken ist. Jedoch ist man im Nachteil, wenn der Akku des Tablets nachlässt; dann kann man nicht mehr mitschreiben, was bei einem normalen Block nicht der Fall ist.
In unserer Schule ist die Digitalisierung noch nicht ganz so weit. Wir haben zwar Medienwägen, Tablets, Computer etc., doch all diese Dinge funktionieren meist nicht richtig oder sogar gar nicht, was nicht nur uns Schüler nervt, sondern auch die Lehrer, da sie ihren geplanten Unterricht so nicht durchführen können. Das einzige, was an unserer Schule wirklich gut funktioniert, ist das zur Verfügung gestellte WLAN, das es noch nicht lange an unserer Schule gibt. Es ist zwar zeitlich begrenzt, jedoch funktioniert es recht gut. Wenn alle Schüler und Lehrer ein Tablet besitzen würden, wäre dies außerdem sehr umweltfreundlich, da man keine Kopien mehr für Arbeitsblätter benötigt, sondern diese ganz einfach jedem einzelnen Schüler per Tablet schicken könnte. Seit Corona wurde die Digitalisierung auch an unserer Schule besser. Da wir seit einigen Monaten keinen normalen Unterricht mehr machen konnten und die Schule nicht besuchen durften, wurden uns in dieser Zeit alle Arbeitsaufträge per E-Mail oder WhatsApp geschickt. Manche Lehrer machten ihren Unterricht per Videokonferenz, was für mich und meine Mitschüler neu war. Auf der einen Seite ist der Onlineunterricht nicht übel, denn man ist zu Hause und muss sich nicht beeilen, den Bus oder die Bahn zu bekommen - und man kann sogar etwas länger schlafen. Der Nachteil vom Onlineunterricht für die Lehrer ist, dass die meisten Schüler ihre Kamera aus haben, sodass die Lehrer nicht sehen können, was die Schüler gerade wirklich machen. Außerdem ist es für die Lehrer schwerer, den Schülern etwas zu erklären, da sie nicht direkt bei ihnen sind; und für die Schüler wiederum ist es auch schwerer, etwas zu verstehen, da ein wirklicher Austausch fehlt. Was mich persönlich in dieser Zeit genervt hat, ist, dass sich manche Lehrer kaum gemeldet haben und uns die Arbeitsaufträge alle auf einmal geschickt haben, sodass wir diese dann in ziemlich kurzer Zeit bearbeiten mussten; manche Lehrer haben uns die neuen Arbeitsaufträge auch erst sehr spät abends geschickt.
Digitalisierung an Schulen wäre eine gute Sache, wenn jeder Lehrer und jeder Schüler ein Tablet zur Verfügung gestellt bekäme und die Lehrer ihren Unterricht entweder per Videokonferenz machten oder uns beispielsweise an jedem Montag Arbeitsaufträge für die Woche schicken würden. Der tatsächliche Austausch und wirkliche Kommunikation sind allerdings durch die Digitalisierung nicht zu ersetzen. [Mandy Zierhut]



["Nature Black", Lorena Kirk-Giannoulis (2017)]




Bewusstsein


Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. [Karl Marx]


Plötzlich ist von Schulschließungen die Rede. Das Wirtschaftssystem wird nahezu vollständig heruntergefahren. Was ist los? Der Grund dafür lautet: Covid-19, ein hoch ansteckendes Virus. Von heute auf morgen müssen von den Regierungen harte Maßnahmen für die Bevölkerung getroffen werden: Von Schulschließungen, Schließungen der Gastronomie, Kontaktverboten bis hin zu Ausgangsbeschränkungen auf der ganzen Welt. Das Leben der Menschen hat sich um 180 Grad gedreht. Ein Virus, das die größte Macht über uns Menschen besitzt. Das Leben der Menschen ist eingeschränkt. Wir können nichts dagegen tun. Das Virus zeigt uns den Weg. Höhere Gewalt.
In den Medien hört man, dass die Wassergassen in Venedig klar und rein seien, befreit von Schlamm und Schmutz. In Ägypten kommen die Delfine so nah an den Strand, dass man sie genau beobachten kann, so als ob ihnen der Weg trotz Verschmutzung und Plastikmüll freigeräumt worden sei. Die „Smog-Alarm“-Abgase in der Luft nehmen ab. Keine Smog-Wolken mehr über den Großstädten. Es scheint so, als wären die Tiere, die Umwelt und die Meere befreit.
Können wir davon ausgehen, dass das Virus nicht geplant war? Wer versichert uns, dass es nicht im Labor gezüchtet worden ist? War all dies Absicht? Wollte man die älteren Menschen auslöschen, Menschen, die ohnehin schon krank und nicht mehr lange am Leben sind?
Doch für die meisten Menschen ist längst nebensächlich, was mit unserer Erde geschieht. Wir sind es, die an ihr zerbrechen.
Gerade jetzt wird mir bewusst, dass jeder nur auf sich selbst achtet. Hauptsache „MIR“ geht es gut. Hauptsache „ICH“ habe genug zu essen. Allein das zeigen schon die Hamsterkäufe. Jeder reißt so viel wie möglich für sich selbst an sich, aber was beispielsweise mit der alten Dame hinter ihm geschieht, die alleine einkaufen gehen muss, weil sie alleinstehend ist, interessiert dann niemanden mehr. Genau in solchen Momenten wird klar, wie viele Menschen wirklich sind. Sie zeigen ihr wahres Gesicht. Gerade in solch einem Ausnahmezustand, der inzwischen schon zum Normalzustand geworden ist, wird Egoismus großgeschrieben.
Haben wir nicht selbst darauf hin gearbeitet? Sind wir nicht selbst schuld an dieser Verelendung? Durch unsere Smartphones und das weltweite Netz haben wir uns doch selbst immer mehr von der realen Welt entfernt: „Social distancing“! Augenblicklich wird mir auch bewusst, dass ich nicht unbedingt neue Kleidung kaufen gehen und nicht den neusten Film im Kino schauen muss.
Wir dürfen uns nicht wundern. Es scheint mir so, als wäre es den Menschen innerlich bewusst, doch jeder sieht weg. - Pure Ignoranz!
Was bedeutet das für unsere Wirtschaft und welche Folgen hat all dies? Die Kluft zwischen arm und reich wird noch größer werden. Viele Unternehmen, insbesondere kleine Unternehmen, sind in ihrer Existenz bedroht. Jetzt ist solidarisches Handeln auf der ganzen Welt gefordert!
Die Entscheidungen, die unsere Bundesregierung fällen musste, ziehen heftige Eingriffe in die Grundrechte der Menschen nach sich. Jeder Mensch hat ein Recht auf Freiheit, doch diese wird in solch einer Situation eingeschränkt sein. Nur so können wir das Virus besiegen.
Sind wir im Umgang mit dem Coronavirus übervorsichtig oder zu sorglos? Was wird sich für immer ändern? Was gewinnen wir neu hinzu? Worauf lernen wir in Zukunft zu verzichten?
Ich hoffe, dass wir nach dieser Krise öfter „WIR“ anstatt „ICH“ sagen. Füreinander da sein, mehr füreinander oder miteinander tun, als gegeneinander. Wir können einiges aus dieser Krise mitnehmen und lernen. Das Virus wird uns zeigen, auch einmal „STOPP“ sagen zu können, uns andere Verhaltensweisen anzugewöhnen und andere Technologien zu nutzen.
Möchte die Erde uns mit all dem etwas mitteilen? Ein Hilferuf? Für all das, was die Menschen der Natur und der Umwelt bewusst oder unbewusst angetan haben. Möchte die Erde sich an uns rächen? Ist das ein Zeichen? [Michelle Schneider]




["Around Me III", Lorena Kirk-Giannoulis (2013)]



Ausflüchte


Unsere heutige Welt scheint so sorglos, doch das tut sie nur, weil der Mensch ein Meister im Verdrängen ist. Das ist er schon immer gewesen. Natürlich gibt es Ausnahmen, doch auch früher schon wurden beschönigende Gedichte für eine Zeit, die von Krieg, Hunger und Tod beherrscht wurde, verfasst. Doch der moderne, industrialisierte und technisierte Mensch verschließt seine Augen nun anders vor der Wirklichkeit, in der er vom stetigen Klimawandel, der niemals endenden zerstörerischen Ausbeutung des Planeten und tausend anderen Problemen, gegebenenfalls auch individueller Natur, erdrückt wird. Und zwar, indem er in eine ganz andere Welt abtaucht - das Internet. Dort hat er die Möglichkeit nur das zu sehen, was er möchte. Sei es über Streaming-Dienste oder über soziale Netzwerke, die ihm eine Plattform bieten, sich zu präsentieren. Diese Selbstdarstellung kann viel kontrollierter erfolgen als in der echten Welt, denn man ist so anonymisiert, dass man anderen ganz leicht ein unproblematisches Leben vorspielen kann, welches man mit der Vorstellung eines Theaters vergleichen könnte, denn es ist alles erprobt und aufgesetzt. Die Selbstdarstellung und was man eigentlich wirklich fühlt, gehen immer weiter auseinander. Falsche Nähe und oberflächliche Interaktionen bringen uns in eine völlig neue Form von Entfremdung voneinander und von uns selbst.
Die Anonymität im Netz kann ebenfalls die dunkelsten Seiten eines Menschen zum Vorschein bringen, denn mit den übelsten Hasskommentaren wird über andere hergefallen. Menschen werden systematisch gemobbt. Aber noch viel schlimmer ist verstörendes Video- und Bildmaterial, welches den meisten verborgen bleibt, da es vorher von sogenannten „Content Moderatoren“ gelöscht wird. Was soll das also für eine bessere Realität sein, in die sich der Mensch hier flüchtet? Sie ist nicht besser, nur weil man die negativen Dinge einfach entfernen kann, denn da draußen, in der sogenannten echten Welt, sind sie weiterhin existent und dort müssen wir nun einmal die meiste Zeit unserer Lebens fristen. Unserer Generation wird es noch möglich sein, ihr gesamtes Leben auf dem Planeten Erde zu verbringen, doch was ist mit den vielen nächsten? Haben wir unsere Erde etwa schon aufgegeben und wollen stattdessen den Mars besiedeln oder nach habitablen Zonen in anderen Sonnensystemen Ausschau halten? Die Frage ist nur, wie lange es dauert, bis wir uns dann den nächsten Planeten vorknöpfen, - oder ob wir tatsächlich aus unseren Fehlern gelernt haben werden. [Rebekka Gumbert]