[Edvard Munch »Friedrich Nietzsche« (1906)]
Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.
[Friedrich Nietzsche »Nachgelassene Fragmente« (1888)]
[MM »No(r)way« (2023)]
Der Wille zur Wahrheit, der uns noch zu manchem Wagnisse verführen wird, jene berühmte Wahrhaftigkeit, von der alle Philosophen bisher mit Ehrerbietung geredet haben: was für Fragen hat dieser Wille zur Wahrheit uns schon vorgelegt! Welche wunderlichen schlimmen fragwürdigen Fragen! Das ist bereits eine lange Geschichte – und doch scheint es, daß sie kaum eben angefangen hat? Was Wunder, wenn wir endlich einmal mißtrauisch werden, die Geduld verlieren, uns ungeduldig umdrehn? Daß wir von dieser Sphinx auch unsrerseits das Fragen lernen? Wer ist das eigentlich, der uns hier Fragen stellt? Was in uns will eigentlich »zur Wahrheit«? – In der Tat, wir machten lange halt vor der Frage nach der Ursache dieses Willens – bis wir, zuletzt, vor einer noch gründlicheren Frage ganz und gar stehenblieben. Wir fragten nach dem Werte dieses Willens. Gesetzt, wir wollen Wahrheit: warum nicht lieber Unwahrheit? Und Ungewißheit? Selbst Unwissenheit? – Das Problem vom Werte der Wahrheit trat vor uns hin – oder waren wirs, die vor das Problem hintraten? Wer von uns ist hier Ödipus? Wer Sphinx? Es ist ein Stelldichein, wie es scheint, von Fragen und Fragezeichen. – Und sollte mans glauben, daß es uns schließlich bedünken will, als sei das Problem noch nie bisher gestellt – als sei es von uns zum ersten Male gesehn, ins Auge gefaßt, gewagt? Denn es ist ein Wagnis dabei und vielleicht gibt es kein größeres. [Friedrich Nietzsche »Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft; Aphorismus 1« (1886)]
[R. A. ol-Omoum »Toccata« (1994)]
Nietzsche, sehen wir heute, inaugurierte den »vierten Menschen«, von dem man jetzt so viel spricht, den Menschen mit dem »Verlust der Mitte«, die man romantisch wieder zu erwecken sucht. Der Mensch ohne moralischen und philosophischen Inhalt, der den Form- und Ausdrucksprinzipien lebt. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, der Mensch habe noch einen Inhalt oder müsse einen haben. Der Mensch hat Nahrungssorgen, Familiensorgen, Fortkommensorgen, Ehrgeiz, Neurosen, aber das ist kein Inhalt im metaphysischen Sinne mehr. Das ist nicht mehr der Animismus der frühen Stufen, der in magischer Verbundenheit mit der Natur und ihren bildenden Kräften im Menschen selber noch Kräfte und Verwandlungen bewog. Dieser beschwörende Mensch ist nicht mehr da. Es ist überhaupt kein Mensch mehr da, nur noch seine Symptome. [Gottfried Benn »Nietzsche nach 50 Jahren« (1950)]
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