Liana Helas, »Ulise 22« (Bloomsday 2022)
Weil er lieber mit einem flotten Spruch auf den Lippen verschmitzt Trübsal heuchelt, vom All gekränkt, die Weisheit tiefer gelegt, den Weltschmerz am eigenen Körper buchstäblich er-fährt, gibt Rohlfs, der Protagonist von Ulise 22, vom Asen-Traum bis zum Kasachenraum Gas. Weil er immer schon wusste, dass es überall – irgendwo – besser ist als hier.
Mit dem zum Bloomsday vorgelegten Roman Ulise 22 stemmt sich Liana Helas, wie seinerzeit James Joyce in seinem Ulysses, gegen eine Metaphysik der Werkkonstruktion, die auch sonst in der Ästhetik perpetuiert wurde und mechanisch die linear-hierarchische Dekonstruierbarkeit des Schönen fordert.
Bei der Lektüre von Ulise 22 wird die Metamorphose vom Text zum Leseerlebnis nach aristotelischer Maxime allein nicht gelingen. „Das, was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet – nicht nach Art eines Haufens, sondern wie eine Silbe –, das ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner Bestandteile. Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a, und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde.“
Denn: „Alle Schöpfung ist Werk der Natur. Von Jupiters Throne // Zuckt der allmächtige Strahl, nährt und erschüttert die Welt", schreibt Goethe uns ins Stammbuch.
In Ulise 22 durchbricht Liana Helas evolutorisch konsequent die Leitplanken, die Joyce im Ulysses noch im Zeit-, Raum- und Protagonisten-Dreieck erzählen ließ; Dublin, Blooms Day.
Liana Helas komponiert Ulise 22 in einer Arena mit weiteren Dimensionen und arrangiert den Werkstoff in sinnlich erweiterten Rezeptionsbereichen.
„Die Ausschöpfung des wahren Sinnes aber, der in einem Text oder einer künstlerischen Schöpfung gelegen ist, kommt nicht irgendwo zum Abschluß, sondern ist in Wahrheit ein unendlicher Prozeß", lässt uns Hans-Georg Gadamer in „Wahrheit und Methode“ wissen.
Darum pendelt Rohlfs, vom Abendstern gefallen und von Luzifer getrieben, gezeitenbewegt durch Raum und Zeit. Er läuft und läuft und den Geist aus der Flasche trinkt er und er trinkt gerne vom Tode – solange er nur mimen kann: Peste-a nopţii feerie | Totu-i vis şi armonie. | Se ridică mândra lună – | Noapte bună!
Ulise 22 – Ein Werk, durchdrungen von Werken.
Hören Sie aus The Gas Station (Variationen) 5. 17 Star:
"Dintre sute de catarge care lasă malurile, Câte oare le vor sparge vânturile, valurile?"
Er wolle sich dem Rauschen des Meeres hingeben, sagte Emilian. Nichts beruhige ihn mehr als der Rausch des Weines am Meer. Nicht allzu weit entfernt von Merzhanovo beschloss man schließlich an einem verlassenen Küstenabschnitt das Lager für die Nacht zu richten.
[Val Sidal, Autor von »Zeit. E - Voicings« (2013) und »Lunatikoa. Wirklichkeitsquotient« (2007 / 2019)]
https://www.booklooker.de/B%C3%BCcher/Liana-Helas+Ulise-22-un-roman-picaresc/id/A02AeZuv01ZZv
AntwortenLöschen