[»Beauty in Decay V«, Lorena Kirk-Giannoulis (2022)]
The truth is whatever people will believe is the truth. Don't you know history?
[Joseph Heller »God Knows« (1984)]
[»Human Body«, Lorena Kirk-Giannoulis (2022)]
The last thing any sensible human being should want is immortality. As it is, life lasts too long for most of us.
[Joseph Heller »God Knows« (1984)]
Interview
„Herzlichen Glückwunsch, Val Sidal! Sie haben heute den Literaturnobelpreis des Jahres 2222 verliehen bekommen – eine Schnapszahl …“
„Wie es sich gehört …“
„Und – wie fühlt es sich an? Sind Sie stolz?“
„Wie Oskar!“
„Wie … Wer?!
„Wie Oskar …“
„Wer ist dieser Oskar?“
„Na ja, vor zweihundert Jahren, zur Zeit meines ersten Rooters …“
„Cisco?“
„Idiot! Ich weiß, dass noch gestritten wird, ob Rooter, Hardware, Software oder Mensch meint – ich meine den Menschen …“
„Okay, der hieß also Oskar …“
„Unterbrechen Sie mich nicht dauernd! Selbstverständlich hieß er nicht Oskar! Oder vielleicht doch – die Ahnenforschung läuft noch.“
„Nichts für ungut! Sie fühlen sich also, wie der, den die Ahnenforschung irgendwann ausgemacht haben wird …“
„Ich werde Sie schlagen, wenn Sie so weitermachen! Oskar hieß damals eine kleine, goldene Puppe, die in Hollywood an Stars verliehen wurde …“
„Sie meinen Barbie …“
„Eine männliche Puppe …“
„Ken …?“
„Oskar! Die Mythologie erzählt von dem komischen Gefühl, das der kleine Kerl bekam, wenn er bei der Verleihung da unten angefasst wurde …“
„Verstehe ... Aber ich habe Sie da unten nicht angefasst!“
„Unterstehen Sie sich!“
„Val Sidal, Milliarden von Menschen schauen uns zu …“
„Das tut mir leid, ich war nie ein Quotenkönig …“
„Wieviele Rooter – ich meine Menschen arbeiten heute für Sie?“
„Acht Millionen arbeitslose Germanisten, zwanzig Millionen Investmentbanker, zwei Schweizer Steuerberater und ein Ungar.“
„Ein Ungar …?“
„Ja, der andere war dauernd besoffen …“
„Was der Steuerberater macht, kann ich mir vorstellen – aber der Ungar?“
„Ich brauchte jemanden für Selbstmitleid, Minderwertigkeitskomplexe und Selbstmordgedanken …“
„Schön, jetzt sind Sie als Schriftsteller in die Ewigkeit eingegangen …“
„Werden Sie nicht ausfallend! Jedem Idioten, der irgendwann zwei Zeichen im Internet gekritzelt hat, wird die Ewigkeit zuteil.“
„Sogar mir …?“
„Jetzt überspannen Sie aber den Bogen! Ihnen? Als Journalist?“
„Schon gut – lassen Sie uns zurückblicken. Wie hat Ihr erster Rooter angefangen?“
„Mit einem Missverständnis …“
„Miss…“
„Irgendwann klappte es mit dem Schreiben nicht mehr so richtig. Bei einer Gelegenheit erwähnte er seiner Tochter gegenüber, dass er damit zunehmend Mühe hätte. Sie empfahl ihm die Leselupe. Daraufhin besorgte er sich eine Sehhilfe, eine billige Lupe und begann mit winzigen Buchstaben auf die Linse zu schreiben. So entstanden seine Kurzsichtigkeit und die ersten Kurzgeschichten.“
„Ha, ha – Kurzgeschichten! Ich verstehe …“
„Zyniker!“
„Entschuldigung – lassen Sie uns über den Preis sprechen. Welches Ihrer Werke wurde in der Laudatio besonders hervorgehoben?“
„Dieses Interview …“
„Aha …“
„Da staunen Sie, nicht wahr? Auf diesem Umweg gehen Sie auch in die Wahlhalle der Literatur ein …“
„Das Interview ist aber noch gar nicht …“
„Eben …“
„Verstehe ich nicht …“
„Als mein erster Rooter vor zweihundert Jahren als Schriftsteller endgültig gescheitert sein wird, wird er Physik studiert haben und, nach etlichen Fehlversuchen, eine Zeitmaschine entwickelt haben, die er mir in die Zukunft geschickt haben wird. Und ich werde es verhindert haben, dass er jemals etwas geschrieben haben wird.“
„Dann wird dieses Interview gar nicht …?“
„Freuen Sie sich nicht zu früh!“
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