Samstag, 10. Oktober 2020

Bzw. ۲ ۴ ۵ [»Rastlose Liebe (nach Johann Wolfgang von Goethe)« für Sopranstimme, Kontrabass und Klavier (1994) von R. A. ol-Omoum]

 


["Small Trials", Lorena Kirk-Giannoulis (2020)]



Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden. Was wir können und möchten, stellt sich unserer Einbildungskraft außer uns und in der Zukunft dar; wir fühlen eine Sehnsucht nach dem, was wir schon im Stillen besitzen. So verwandelt ein leidenschaftliches Vorausgreifen das wahrhaft Mögliche in ein erträumtes Wirkliches. [Johann Wolfgang von Goethe »Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit; Band 2« (1811 – 1812)]




["Pegasus", Lorena Kirk-Giannoulis (2020)]


Rastlose Liebe


Dem Schnee, dem Regen,
Dem Wind entgegen,
Im Dampf der Klüfte,
Durch Nebeldüfte,
Immer zu! Immer zu!
Ohne Rast und Ruh!

Lieber durch Leiden
Möcht ich mich schlagen,
Als so viel Freuden
Des Lebens ertragen.
Alle das Neigen
Von Herzen zu Herzen,
Ach, wie so eigen
Schaffet das Schmerzen!

Wie soll ich fliehen?
Wälderwärts ziehen?
Alles vergebens!
Krone des Lebens,
Glück ohne Ruh,
Liebe, bist du!


[Johann Wolfgang von Goethe (1776)]








Freiwillige Abhängigkeit ist der schönste Zustand, und wie wäre der möglich ohne Liebe! [Johann Wolfgang von Goethe »Die Wahlverwandtschaften« (1809)]

Die Welt ist so leer, wenn man nur Berge, Flüsse und Städte darin denkt, aber hie und da jemand zu wissen, der mit uns übereinstimmt, mit dem wir auch stillschweigend fortleben: Das macht uns dieses Erdenrund erst zu einem bewohnten Garten. [Johann Wolfgang von Goethe »Wilhelm Meisters Lehrjahre« (1796)]




["Playing With My Painting", Lorena Kirk-Giannoulis (2020)]


Der Aberglaube gehört zum Wesen des Menschen und flüchtet sich, wenn man ihn ganz und gar zu verdrängen denkt, in die wunderlichsten Ecken und Winkel, von wo er auf einmal, wenn er einigermaßen sicher zu sein glaubt, wieder hervortritt. [Johann Wolfgang von Goethe »Wilhelm Meisters Wanderjahre« (1829)]



["Goethe in der Campagna", Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1786)]


Die allgemeine, die natürliche Religion bedarf eigentlich keines Glaubens: denn die Überzeugung, daß ein großes, hervorbringendes, ordnendes und leitendes Wesen sich gleichsam hinter der Natur verberge, um sich uns faßlich zu machen, eine solche Überzeugung dringt sich einem jeden auf; ja wenn er auch den Faden derselben, der ihn durchs Leben führt, manchmal fahren ließe, so wird er ihn doch gleich und überall wieder aufnehmen können. Ganz anders verhält sich's mit der besondern Religion, die uns verkündigt, daß jenes große Wesen sich eines Einzelnen, eines Stammes, eines Volkes, einer Landschaft entschieden und vorzüglich annehme. Diese Religion ist auf den Glauben gegründet, der unerschütterlich sein muß, wenn er nicht sogleich von Grund aus zerstört werden soll. Jeder Zweifel gegen eine solche Religion ist ihr tödlich. Zur Überzeugung kann man zurückkehren, aber nicht zum Glauben. [Johann Wolfgang von Goethe »Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit; Band 1« (1811)]


1 Kommentar:

  1. Wunderbare Gedanken in denen ich mich wiederfinden kann. Danke. Lorena

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