Montag, 10. Februar 2020

Bzw. ۲ ۳ ۴ [Affinity - метаморфозы 1 (для Франц Кафка)]




[Goedart Palm, "Always The Sun II"]



Starker Regenguß. Stelle dich dem Regen entgegen, laß die eisernen Strahlen dich durchdringen, gleite in dem Wasser, das dich fortschwemmen will, aber bleibe doch, erwarte so aufrecht die plötzlich und endlos einströmende Sonne. [Franz Kafka, »Tagebücher« (1914)]




[Franz Kafka, "Der Denker"]


Alles, was sich nicht auf Literatur bezieht, hasse ich, es langweilt mich, Gespräche zu führen (selbst wenn sie sich auf Literatur beziehen), es langweilt mich, Besuche zu machen, Leiden und Freuden meiner Verwandten langweilen mich in die Seele hinein. Gespräche nehmen allem, was ich denke, die Wichtigkeit, den Ernst, die Wahrheit. [Franz Kafka, »Tagebücher« (1913)]

Ich werde schwer aufzuschütteln sein und bin doch unruhig. Als ich heute nachmittag im Bett lag und jemand einen Schlüssel im Schloß rasch umdrehte, hatte ich einen Augenblick lang Schlösser auf dem ganzen Körper wie auf einem Kostümball und in kurzen Zwischenräumen wurde einmal hier, einmal dort ein Schloß geöffnet oder zugesperrt. [Franz Kafka, »Tagebücher« (1912)]




[Goedart Palm, "Rough Landscape"]




1


  "Ich habe oft versucht, mich mit der Gestalt meiner Mutter und der Gestalt meines Vaters auseinanderzusetzen, peilend zwischen Aufruhr und Unterwerfung." (Peter Weiss)



Ich würde aussehen wie ein Insekt, wobei ich mir nichts dachte, schließlich hatten wir das Spiel schon oft gespielt. Leute, die an uns vorübergingen, waren Enten, Dromedare, hatten etwas von einem Raben. Man kennt das, auch Striche in der Landschaft haben Elefantenhaftes, und Pinguine gibt es seit jeher, dass man keine Fräcke mehr trägt, tut nichts zur Sache. "Ein schwarz-braunes, nein ehrlich", flüsterte Veronika und küsste mich schaudernd, samtene, trockene Morgenlippen dann wohl auf glänzendes Chitin. Aus Feigheit ging ich auf das Spiel ein, umschlang sie mit meinen sechs behaarten Beinchen und biss, einem zahnlosen Greis ähnlicher als einem Käfer, die Lippen um die Zähne gespannt, nach ihr. Zu groß war meine Furcht mich im Spiel zu verraten, weshalb es besser war, das Spiel in der gewohnten Weise fortzusetzen. Tatsächlich aber war ich, anders als Gregor Samsa, an diesem Morgen aus unruhigen Träumen erwacht, nicht als ein ungeheures Ungeziefer, dafür an der Seite einer fremden Frau.
Bei genauerer Betrachtung stelle ich allerdings fest, dass ich zumindest einen Teil dieses an und für sich unwesentlichen Namens, Gregor nämlich, mit diesem Monster gemeinsam habe. Und auch sonst gibt es, wie ich zugeben muss, einige Parallelen. Außerdem, liebe Leserinnen und Leser, prallen hier, und daran scheint mir nichts allzu Ungewöhnliches, dreierlei Wesen aufeinander, deren Fühler sich, teils instinktiv, ungewollt, teils mit verborgenen, beinahe kosmischen Paarungsabsichten, zueinander ausstrecken. Da ist auf der einen Seite diese Ausgeburt eines Kerls, Gregor, der anders oder nicht anders als ich selbst, die parasitäre Möglichkeit darstellt, dass du nicht mehr dabei bist, sei es, dass du Gläubiger oder Schuldner, Ernährer oder Ernährter, Strebender oder Sterbender bist; da ist diese fremde Frau auf der anderen Seite, die es vielleicht einfach nur gejuckt hat, die sich dank irgendeiner Frechheit dazu hinreißen hat lassen, diesen Ort des Rückzugs mit jemandem wie mir zu teilen. Die Rede ist also von diesem entsetzlichen Gregor, der, einem seltsamen Training gleich, Gefallen daran findet, die Besinnung zu verlieren, als wolle er sich darauf vorbereiten, dass nichts von Bestand ist.
Meine Unruhe galt übrigens folgendem wirren Traum. Aus dem unsinnigen Gerücht einiger Nachbarinnen nämlich, meine Schwester bringe mir morgens die Milch, hatte also der Traum mich zum Säugling an meiner Schwester gemacht. Das übliche Schmatzen meines Säuglingsmundes, wie er die Brust kurz verliert, von Spucke oder eben der ihr entfließenden Milch glänzend, schlüpfte sie wieder hinein in saugende Gier, sich mit größter Selbstverständlichkeit befriedigend, ohne alle Scham. Wie Hunde, hatte ich einmal gedacht, die einander auf offener Straße bestiegen! Es mochte sein, dass sich eine Mutter der Blöße ihrer Brust schämte, die in der Öffentlichkeit ihrem Säugling zu geben man ihr nicht erlauben wollte. Um wie viel mehr eine Schwester, die diese dem Bruder gab! Ich jedenfalls schämte mich der Brust meiner Schwester nicht, wie auch, Säugling, der ich war. Erst an der Grenze zum Erwachen nahm ich jene Unruhe wahr, wie man sie von Verwandlungen allgemein kennt, im Guten wie im Bösen.
Bei all dem wäre definitiv klarzustellen, dass ich überhaupt niemals Milch trinke. Jene Milch, von der hier gerüchteweise die Rede war, entsorgte ich im Spülstein, oder in der Toilette, je nachdem. Auch strichen einige Katzen um mein Gehege, die sich meiner als eines Milchspenders erinnerten. Auch Katzen tauschten Gerüchte untereinander aus, wie jedermann wusste. Schnurrend strichen sie die Saiten ihrer Fiedeln und es erklang warm ein Ton meiner Kinderzeit, denn meine Schwester war eine Geigerin. Nicht dass sie für mich die Fiedel gestrichen hätte, aber so lange sie strich, würde sie nicht hereinplatzen, trampelig, wie sie es sonst tat. So lernte ich ihr Spiel zu lieben.
Es gibt indessen, so lernte ich ebenfalls, nur sehr wenige Dinge, die sich nicht mühelos leugnen ließen, wie etwa die Tatsache, dass ich plötzlich da war und, so vermutete ich, ebenso einfach einst wieder verschwunden sein würde. Mit dem Verschwinden befasste ich mich schon sehr früh, wobei mich zunächst die Frage quälte, ob es wirklich einen Sensemann gäbe. Oder war vielleicht auch hier letztlich eine fremde Frau im Spiel? Weshalb also sollte ich ihr Spiel weiterhin bedingungslos lieben? Ließe es sich nicht sogar geradewegs verneinen, dass es da eine leibliche Schwester gab, deren Anwesenheit mich lediglich störte?
Ich habe die Person, die mir im täglichen Morgengrauen klammheimlich einen Liter Milch vor die Türe stellte, meist mit Schraubverschluss, so stellte ich fest, nie gesehen. Lautlos schlich demnach meine Schwester Grete vor meinem Gehege herum, kreuzte davor auf, wenn ich mich gerade genüsslich, kaum hörbar, in meinem Gefieder verkrochen hatte, mich in einem Moment der Arglosigkeit in trügerischer Sicherheit wog, oder eben meine Morgentoilette verrichtete.
Bei meinen gelegentlichen Einkäufen in der Gemischtwarenhandlung an der Ecke, nirgends sonst nämlich fand man ein Stück Kernseife oder den Alaunstein, den ich bei meinen unachtsamen Rasuren beinahe regelmäßig benötigte, hörte ich die Damen aus der umliegenden Nachbarschaft hin und wieder tuscheln: "Seine Schwester bringt ihm die Milch." - "Sie spielt sogar die Fiedel nur für ihn!" - "Welch eine fürsorgliche Person, diese Frau!"
Tatsächlich konnte ich den Geigentönen aus der Ferne etwas abgewinnen, denn Musik, so heißt es, sei die Kraft, die alles Bewegte beherrsche. Dass die Capriccios für mich bestimmt sein sollten, hielt ich den Gerüchten zum Trotz für unwahrscheinlich. Als unterhaltsame Belustigung konnte ich das Fiedeln ohne weiteres annehmen, die Milch jedoch entsorgte ich, wie gesagt, auf der Stelle. Manchmal verwendete ich sie auch, um wenigstens den streunenden Katzen etwas Kräftigendes mit auf den Weg zu geben.
Sollte es sich bei der fürsorglichen Virtuosin wirklich um meine leibliche Schwester handeln, fiel es mir schwer zu begreifen, weshalb bloß sie mich mit ihren kapriziösen Übergriffen ganz offenbar aufheitern wollte.
Zweifellos musste es auch in meinem unvorhersehbaren Fall die Instanz geben, die man gemeinhin Eltern nannte. Inmitten meines Blicks auf den geschwungenen und geschuppten Unterleib der fremden Frau tauchten mit Lichtgeschwindigkeit Bilder auf, die sich gleichzeitig in Buchstaben aufzulösen schienen, welche sich in flüssiger Form zwischen den unzähligen kleinen Pigmentnävi auf Veronikas Rücken niederließen, um dort den Weg in die vielen Millionen von Poren und Schweißdrüsen zu finden.
Ein schimmerndes Nachttier, flatterhaft, ruhig im Kerzenschein sanft vibrierend, plötzlich aufgeschreckt in der Dunkelheit. In der Nacht war der Abstand größer geworden. 30 cm Pufferzone. Acht von zehn männlichen Wespenspinnen wurden bei der Paarung vom weiblichen Partner verspeist. Und selbst wenn ein Männchen die Kopulation überlebte, drohte nach dem zweiten Akt unweigerlich das Ende. Selbstlos opferte sich das Spinnenmännchen für den Nachwuchs. Aber es gab Unterschiede. Offensichtlich entschied das Männchen selbst, ob es gefressen werden wollte oder nicht.
In Wahrheit wurde man nicht bloß von den Weibchen gefressen, nur weil Veronika gerade dazu da war, das lag auf der Hand. Das hieß soviel, als dass man wohl mit mehreren, wenn nicht einer Unzahl von Existenzen rechnen musste, damit man auch beispielsweise ein Fraß der Eltern sein konnte. Es war, wie man sich denken konnte, bei allen so, wenn auch stets in anderer Reihenfolge. Ich beispielsweise wurde zuerst von meiner Schwester verspeist, was ich mir auch einbilden konnte, denn nie konnte ich mich von dem Gedanken befreien, dass sie mindestens im Auftrag der Eltern handelte. Schwestern handelten leicht im Auftrag der Eltern, zumal jüngere. Das mit der Milch war eine perfide Idee meiner Mutter. Sie wusste, dass ich keine Milch mochte, und da ich welche mögen sollte, wurde mir Milch gebracht. "Warum willst du denn die Milch nicht?" - Ich weiß nicht, wie oft ich ihr am Telefon klarzumachen versuchte, es sei völlig in Ordnung, dass Grete ihr die Milch bringe, mir aber, bitte, solle sie keine Milch vor die Tür stellen, da ich keine Milch trinke. Ich wisse, Milch sei gesund und sicherlich auch schmackhaft, ich aber tränke keine Milch, da sie mir widerwärtig sei, nein, es habe nichts damit zu tun, dass sie, meine Mutter, ja die Milch, bezahle und es nur gut mit mir meine. Aber da hörte ich meistens nur ihr Schluchzen im Hörer oder überhaupt schon das Tutut, sie hatte aufgelegt. Die Milch, wie gesagt, entsorgte ich, verfütterte sie an fette Katzen, deren Schnurren mich auf die Palme bringen konnte, oder ich verwickelte mich ihretwegen in verfängliche Träume. Der mit der Brust meiner Schwester gehörte noch zu den harmloseren. Man konnte Träume hassen, wenn ihr wisst, was ich meine. Es heißt, sie verarbeiteten Tageserlebnisse, was sie bei mir nicht taten, aber sie ließen sozusagen tief blicken, ich meine, ich kenne mich, ein Grund mehr dafür, warum ich von meinen Träumen lieber nichts wissen möchte. Mal ehrlich, man träumte, als ein abscheuliches Ungeziefer zu erwachen, Herrgott, das lernt man in der Schule, Konflikt mit den Eltern und so weiter, Schwester Grete, die einem das Futter bringt, in meinem Fall Milch, ich wiederhole, ich mag keine Milch, ich wiederhole! Das mit den Buchstaben auf der Haut Veronikas, ich gebe es zu, es ist erflunkert. Bilder, die zu Buchstaben werden, das war so eine Idee von mir, nicht genial, weil bloß Umkehrung eines Gemeinplatzes. In Ordnung, weil ihr keine Ruhe gebt, also dann Buchstaben, die zu Bildern werden. Dann aber bitteschön meine Version. Gebt es zu, man kann nichts dagegen machen. Ich gebe mich geschlagen: Milch, herrje. Dann soll wenigstens diese Milch in Veronikas mickrige Poren einsickern anstatt der Buchstaben, das war doch zu schräg. Übrigens mochte sie das wirklich, es war so eine ihrer Verrücktheiten, man sollte sie trotzdem lieben. Immer sollte man Frauen trotzdem lieben. Das wusste jeder, dass Frauen nicht so sind, wie man von ihnen träumt. Nicht erst, seit Teenager sich splitterfasernackt für die Bravo selbst fotografierten. Du lieber Himmel, was hatte ich für einen Dusel gehabt, beispielsweise mit Veronika. Sie hatte nicht gerade die Traumfigur und sozusagen ihre Spinnereien am Leib. Aber, Mann, da waren vielleicht ein paar Lieschen dabei. Klar, du durftest nicht lachen, das ist wie bei Behinderten, wenn du die anglotzt und so weiter, bist du selber behindert. Lass dich also nicht dabei erwischen. Überhaupt habe ich mir selber nie die Bravo gekauft, wäre unter meinem Niveau gewesen, aber man interessierte sich schon, wenn sie irgendwo herumlag. Also dann diese bescheuerten Jugendlichen, es war wie beim sogenannten Unterschichtenfernsehen, sollte also irgendwie befreien, Leute so anzuschauen, wie sie zum Teufel nun mal waren. Klar, dass man im Spiegel kontrollierte, ob man auch so daneben aussah. Es schien ein wirkliches Pubertätsproblem zu sein, denn diese Zweifel lagen irgendwie hinter einem, oder man war korrupt geworden wie alle Erwachsenen. Ehrlich, die paarmal, die ich mir nicht zu blöd vorkam, mich splitterfasernackt im Spiegel anzugucken, fand ich mich völlig in Ordnung. Veronika war auch in Ordnung, von der Tatsache einmal abgesehen, dass du mit fünfzig plus minus sagen wir mal so deine Gebrauchsspuren hast, Kumpels von mir nennen das Patina.
Ich will mich hier nicht herausreden, die Masche mit den Tierchen konnte mir auf den Sender gehen, wie alles, was versuchte eine Sache zu verharmlosen, die verdammt nun einmal nicht harmlos war. Und die Art, wie ich hier neben Veronika aufwachte, war es verdammt noch mal auch nicht. Was sich schon daran bemerken ließ, dass ich diesen irrsinnigen Traum hatte. Irgendwie wusste man, egal wie verdreht ein Traum war, doch insgeheim, was es damit auf sich hatte, da half auch kein Vergessen. Man vergaß den Traum, man wusste aber, dass man verstanden hatte, was er bedeutete. Es war zum Mäusemelken! Ihr wisst, dass ich den Satz hätte löschen können, es hätte aber nichts geholfen. Es bleibt dabei, Mütter schluchzen an Telefonen, begreifen nicht, dass wir Milch nicht mögen und setzen Schwestern auf uns an, machten Bräute zu Schwestern, die uns in Käfer verwandelten, und sei es bloß, um uns auf glänzendes Chitin zu küssen.
  Das Ungeheure, Freunde, ist nicht das Ungeziefer, als das man eines Morgens aufwacht, sondern die Tatsache, dass man gerne eines wäre. Ich beispielsweise möchte nicht geliebt werden, so wie man mich liebt. Dabei tue ich einiges dafür. Warum um alles in der Welt ist man so, dass man geliebt wird, wofür man sich selber niemals lieben würde?
  Ich gebe zu, von dieser Art ungefähr sind meine Lieblingsgedanken. Offenbar huldige ich einem verbreiteten Hobby, dem Selbsthass als einer verdrehten Form der Selbstverhätschelung.
  Ich bin nicht der ekelhafte Käfer, als der ich Veronika als erstes am Morgen gerne erschreckt hätte. Wie hörte sich der frenetische Schrei dieser entsetzten Frau für ein Insekt an? Wieder so ein Schwachpunkt meiner armen Fantasie: Hören Insekten überhaupt? Ich sehe, ich interessiere mich eigentlich gar nicht für den duseligen Sechsbeiner, zu dem sein Erfinder einst Zuflucht nahm, wohl aber dafür, wie er sich vor der Welt verkroch. Panzer meiner Einfälle, Antennen, die blind tasten, während Veronika im Bad nebenan gurgelt.
  Kennt ihr das, inmitten einer freundlichen Welt, wie sie nicht freundlicher sein könnte, hegt ihr garstige Gedanken, nicht aus Bosheit, sondern aus einer Art Snobismus. Das Gute ist nicht gut, Veronika ist nicht das frische, hübsche Mädchen, das sie wirklich ist. Warum eigentlich könnt ihr sie nicht fröhlich und nett sein lassen wie an diesem Morgen, wie übrigens meistens morgens? Da kommt ihr mit eurer Käferidee, aber ja nicht im Ernst. Ein wenig Herumgealbere, also jetzt irgend eines der anderen Tiere, die sich auch leichter spielen lassen. Am Ende purzelt ihr noch ein wenig aufs Bett, Veronika mit ihrem zahnpastafrischen Mund. Wer war gerade noch eine braune Riesenkakerlake? Es war ein sonniger Morgen, wie leicht kam man zu spät. Dabei wolltet ihr heute, definitiv, nicht hingehen, euch nicht zur Verfügung stellen. Veronika könnte anrufen. Max sei krank, ja, fühle sich nicht wohl, nein, es sei vorübergehend, morgen werde es schon wieder besser gehen, andernfalls würde er sich noch einmal melden. Quatsch, was hieß hier "noch einmal melden"! Ist vom Zigarettenholen nicht wiedergekommen. Ja, bereits bei der Polizei gemeldet. Es wird ihm doch nichts ... Jetzt soll Veronika schluchzen und auflegen. lhr sagt: Kitsch. Klar ist das von der Machart her Kitsch. Aber es ist, von der Sache her, so eine Art Lieblingstraum von mir. Nicht dass ich das wirklich schon einmal geträumt hätte. Es ist eben die Art von Wunschtraum, bei der ich mitgehe.
  Tatsächlich geht man hin, vielleicht nicht immer, aber immer wieder, was möglicherweise schlimmer ist. Du gehst hin, und eigentlich bist du nicht da, so hättest du es gerne. Das, was du gerne das Eigentliche an dir nennen möchtest, wird nicht begutachtet, übersehen und so weiter. Es steckt tief in dir drin, darum herum hast du, sagen wir beispielsweise einen Panzer mit Bauch- und Rückenplatte, ihr wisst schon, der alberne Käfer. Aber so ist es nicht, zwischen dem Eigentlichen von dir und allem Übrigen gibt es überhaupt keinen Unterschied.
  Jetzt stehe ich gleich in der Küche und putze mir am Spülbecken die Zähne, etwas, was Veronika nicht mag, aber sie mag es dann doch, um meinetwillen. Dafür höre ich im Radio mit ihr den Sender, den sie einstellt, wenn sie zuerst beim Frühstück ist. Wenn ich fertig bin mit Gegurgele und das Handtuch zum Trocknen aufgehängt habe, dreht sie die Musik ab, Gott weiß, wie wir die Kunst des friedlichen Miteinanders zusammengeschustert haben.
  Es ist versuchsweise ein Tag mit gutem Wetter, nicht mehr sommerwarm, wenn man am Morgen das Haus verlässt, aber es in den nächsten Stunden noch warm werden würde. Der Wagen spränge problemlos an, warum auch heute ausgerechnet nicht? Der übliche Radiosender, würden die Sendungen eines völlig anderen Tages abgespielt werden, sagen wir von vor fünfzehn, zwanzig Jahren, aus Versehen geschieht so etwas ja nicht, aber einmal angenommen, wie lange würde es wohl dauern, bis man es merkt? Bestimmte Korrespondenten, die beispielsweise aus den U.S.A. berichteten, waren irgendwann abgelöst worden, die neuen Namen prägten sich einem nie so richtig ein. Nun wäre alles wieder in Ordnung. Eigenartig, dass man wieder von Präsident Clintons Affäre mit der Praktikantin Lewinsky erführe. Die U.S.A. sind das Land, in dem bei einer solchen Gelegenheit Pfarrer mit dem Präsidenten an dessen Gewissen arbeiten, mit ihm beten, dass er etwas nicht wiedertut, was ihn in den Augen der Öffentlichkeit unfähig sein lässt ihr Präsident zu sein.





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