[Goedart Palm, "Always The Sun II"]
Starker
Regenguß. Stelle dich dem Regen entgegen, laß die eisernen Strahlen
dich durchdringen, gleite in dem Wasser, das dich fortschwemmen will,
aber bleibe doch, erwarte so aufrecht die plötzlich und endlos
einströmende Sonne. [Franz Kafka, »Tagebücher«
(1914)]
[Franz Kafka, "Der Denker"]
Alles,
was sich nicht auf Literatur bezieht, hasse ich, es langweilt mich,
Gespräche zu führen (selbst wenn sie sich auf Literatur beziehen),
es langweilt mich, Besuche zu machen, Leiden und Freuden meiner
Verwandten langweilen mich in die Seele hinein. Gespräche nehmen
allem, was ich denke, die Wichtigkeit, den Ernst, die Wahrheit.
[Franz Kafka, »Tagebücher«
(1913)]
Ich
werde schwer aufzuschütteln sein und bin doch unruhig. Als ich heute
nachmittag im Bett lag und jemand einen Schlüssel im Schloß rasch
umdrehte, hatte ich einen Augenblick lang Schlösser auf dem ganzen
Körper wie auf einem Kostümball und in kurzen Zwischenräumen wurde
einmal hier, einmal dort ein Schloß geöffnet oder zugesperrt.
[Franz Kafka, »Tagebücher«
(1912)]
1
"Ich
habe oft versucht, mich mit der Gestalt meiner Mutter
und der Gestalt meines Vaters auseinanderzusetzen, peilend
zwischen Aufruhr und Unterwerfung."
(Peter Weiss)
Ich würde aussehen wie ein Insekt, wobei ich mir nichts dachte, schließlich hatten wir das Spiel schon oft gespielt. Leute, die an uns vorübergingen, waren Enten, Dromedare, hatten etwas von einem Raben. Man kennt das, auch Striche in der Landschaft haben Elefantenhaftes, und Pinguine gibt es seit jeher, dass man keine Fräcke mehr trägt, tut nichts zur Sache. "Ein schwarz-braunes, nein ehrlich", flüsterte Veronika und küsste mich schaudernd, samtene, trockene Morgenlippen dann wohl auf glänzendes Chitin. Aus Feigheit ging ich auf das Spiel ein, umschlang sie mit meinen sechs behaarten Beinchen und biss, einem zahnlosen Greis ähnlicher als einem Käfer, die Lippen um die Zähne gespannt, nach ihr. Zu groß war meine Furcht mich im Spiel zu verraten, weshalb es besser war, das Spiel in der gewohnten Weise fortzusetzen. Tatsächlich aber war ich, anders als Gregor Samsa, an diesem Morgen aus unruhigen Träumen erwacht, nicht als ein ungeheures Ungeziefer, dafür an der Seite einer fremden Frau.
Bei
genauerer Betrachtung stelle ich allerdings fest, dass ich zumindest
einen Teil dieses an und für sich unwesentlichen Namens, Gregor
nämlich, mit diesem Monster gemeinsam habe. Und auch sonst gibt es,
wie ich zugeben muss, einige Parallelen. Außerdem, liebe Leserinnen
und Leser, prallen hier, und daran scheint mir nichts allzu
Ungewöhnliches, dreierlei Wesen aufeinander, deren Fühler sich,
teils instinktiv, ungewollt, teils mit verborgenen, beinahe
kosmischen Paarungsabsichten, zueinander ausstrecken. Da ist auf der
einen Seite diese Ausgeburt eines Kerls, Gregor, der anders oder
nicht anders als ich selbst, die parasitäre Möglichkeit darstellt,
dass du nicht mehr dabei bist, sei es, dass du Gläubiger oder
Schuldner, Ernährer oder Ernährter, Strebender oder Sterbender
bist; da ist diese fremde Frau auf der anderen Seite, die es
vielleicht einfach nur gejuckt hat, die sich dank irgendeiner
Frechheit dazu hinreißen hat lassen, diesen Ort des Rückzugs mit
jemandem wie mir zu teilen. Die Rede ist also von diesem
entsetzlichen Gregor, der, einem seltsamen Training gleich, Gefallen
daran findet, die Besinnung zu verlieren, als wolle er sich darauf
vorbereiten, dass nichts von Bestand ist.
Meine
Unruhe galt übrigens folgendem wirren Traum. Aus dem unsinnigen
Gerücht einiger Nachbarinnen nämlich, meine Schwester bringe mir
morgens die Milch, hatte also der Traum mich zum Säugling an meiner
Schwester gemacht. Das übliche Schmatzen meines Säuglingsmundes,
wie er die Brust kurz verliert, von Spucke oder eben der ihr
entfließenden Milch glänzend, schlüpfte sie wieder hinein in
saugende Gier, sich mit größter Selbstverständlichkeit
befriedigend, ohne alle Scham. Wie Hunde, hatte ich einmal gedacht,
die einander auf offener Straße bestiegen! Es mochte sein, dass sich
eine Mutter der Blöße ihrer Brust schämte, die in der
Öffentlichkeit ihrem Säugling zu geben man ihr nicht erlauben
wollte. Um wie viel mehr eine Schwester, die diese dem Bruder gab!
Ich jedenfalls schämte mich der Brust meiner Schwester nicht, wie
auch, Säugling, der ich war. Erst an der Grenze zum Erwachen nahm
ich jene Unruhe wahr, wie man sie von Verwandlungen allgemein kennt,
im Guten wie im Bösen.
Bei
all dem wäre definitiv klarzustellen, dass ich überhaupt niemals
Milch trinke. Jene Milch, von der hier gerüchteweise die Rede war,
entsorgte ich im Spülstein, oder in der Toilette, je nachdem. Auch
strichen einige Katzen um mein Gehege, die sich meiner als eines
Milchspenders erinnerten. Auch Katzen tauschten Gerüchte
untereinander aus, wie jedermann wusste. Schnurrend strichen sie die
Saiten ihrer Fiedeln und es erklang warm ein Ton meiner Kinderzeit,
denn meine Schwester war eine Geigerin. Nicht dass sie für mich die
Fiedel gestrichen hätte, aber so lange sie strich, würde sie nicht
hereinplatzen, trampelig, wie sie es sonst tat. So lernte ich ihr
Spiel zu lieben.
Es
gibt indessen, so lernte ich ebenfalls, nur sehr wenige Dinge, die
sich nicht mühelos leugnen ließen, wie etwa die Tatsache, dass ich
plötzlich da war und, so vermutete ich, ebenso einfach einst wieder
verschwunden sein würde. Mit dem Verschwinden befasste ich mich
schon sehr früh, wobei mich zunächst die Frage quälte, ob es
wirklich einen Sensemann gäbe. Oder war vielleicht auch hier
letztlich eine fremde Frau im Spiel? Weshalb also sollte ich ihr
Spiel weiterhin bedingungslos lieben? Ließe es sich nicht sogar
geradewegs verneinen, dass es da eine leibliche Schwester gab, deren
Anwesenheit mich lediglich störte?
Ich
habe die Person, die mir im täglichen Morgengrauen klammheimlich
einen Liter Milch vor die Türe stellte, meist mit Schraubverschluss,
so stellte ich fest, nie
gesehen. Lautlos schlich demnach meine Schwester Grete vor meinem
Gehege herum, kreuzte davor auf, wenn ich mich gerade genüsslich,
kaum hörbar, in meinem Gefieder verkrochen hatte, mich in einem
Moment der Arglosigkeit in trügerischer Sicherheit wog, oder eben
meine Morgentoilette verrichtete.
Bei
meinen gelegentlichen Einkäufen in der Gemischtwarenhandlung an der
Ecke, nirgends sonst nämlich fand man ein Stück Kernseife oder den
Alaunstein, den ich bei meinen unachtsamen Rasuren beinahe regelmäßig
benötigte, hörte ich die Damen aus der umliegenden Nachbarschaft
hin und wieder tuscheln: "Seine Schwester bringt ihm die Milch."
- "Sie spielt sogar die Fiedel nur für ihn!" - "Welch
eine fürsorgliche Person, diese Frau!"
Tatsächlich
konnte ich den Geigentönen aus der Ferne etwas abgewinnen, denn
Musik, so heißt es, sei die Kraft, die alles Bewegte beherrsche.
Dass die Capriccios für mich bestimmt sein sollten, hielt ich den
Gerüchten zum Trotz für unwahrscheinlich. Als unterhaltsame
Belustigung konnte ich das Fiedeln ohne weiteres annehmen, die Milch
jedoch entsorgte ich, wie gesagt, auf der Stelle. Manchmal verwendete
ich sie auch, um wenigstens den streunenden
Katzen etwas Kräftigendes mit auf den Weg zu geben.
Sollte
es sich bei der fürsorglichen Virtuosin wirklich um meine leibliche
Schwester handeln, fiel es mir schwer zu begreifen, weshalb bloß sie
mich mit ihren kapriziösen Übergriffen ganz offenbar aufheitern
wollte.
Zweifellos
musste es auch in meinem unvorhersehbaren Fall die Instanz geben, die
man gemeinhin Eltern nannte. Inmitten meines Blicks auf den
geschwungenen und geschuppten Unterleib der fremden Frau tauchten mit
Lichtgeschwindigkeit Bilder auf, die sich gleichzeitig in Buchstaben
aufzulösen schienen, welche sich in flüssiger Form zwischen den unzähligen kleinen Pigmentnävi auf Veronikas Rücken niederließen, um
dort den Weg in die vielen Millionen von Poren und Schweißdrüsen zu
finden.
Ein
schimmerndes Nachttier, flatterhaft, ruhig im Kerzenschein sanft
vibrierend, plötzlich aufgeschreckt in der Dunkelheit. In der
Nacht war der Abstand größer geworden. 30 cm Pufferzone. Acht
von zehn männlichen Wespenspinnen wurden bei der Paarung vom
weiblichen Partner verspeist. Und selbst wenn ein Männchen die
Kopulation überlebte, drohte nach dem zweiten Akt unweigerlich das
Ende. Selbstlos opferte sich das Spinnenmännchen für den Nachwuchs.
Aber es gab Unterschiede. Offensichtlich entschied das Männchen
selbst, ob es gefressen werden wollte oder nicht.
In
Wahrheit wurde man nicht bloß von den Weibchen gefressen, nur weil
Veronika gerade dazu da war, das lag auf der Hand. Das hieß soviel,
als dass man wohl mit mehreren, wenn nicht einer Unzahl von
Existenzen rechnen musste, damit man auch beispielsweise ein Fraß
der Eltern sein konnte. Es war, wie man sich denken konnte, bei allen
so, wenn auch stets in anderer Reihenfolge. Ich beispielsweise wurde
zuerst von meiner Schwester verspeist, was ich mir auch einbilden
konnte, denn nie konnte ich mich von dem Gedanken befreien, dass sie
mindestens im Auftrag der Eltern handelte. Schwestern handelten
leicht im Auftrag der Eltern, zumal jüngere. Das mit der Milch war
eine perfide Idee meiner Mutter. Sie wusste, dass ich keine Milch
mochte, und da ich welche mögen sollte, wurde mir Milch gebracht.
"Warum willst du denn die Milch nicht?" - Ich weiß nicht,
wie oft ich ihr am Telefon klarzumachen versuchte, es sei völlig in
Ordnung, dass Grete ihr die Milch bringe, mir aber, bitte, solle sie
keine Milch vor die Tür stellen, da ich keine Milch trinke. Ich
wisse, Milch sei gesund und sicherlich auch schmackhaft, ich aber
tränke keine Milch, da sie mir widerwärtig sei, nein, es habe
nichts damit zu tun, dass sie, meine Mutter, ja die Milch, bezahle
und es nur gut mit mir meine. Aber da hörte ich meistens nur ihr
Schluchzen im Hörer oder überhaupt schon das Tutut, sie hatte
aufgelegt. Die Milch, wie gesagt, entsorgte ich, verfütterte sie an
fette Katzen, deren Schnurren mich auf die Palme bringen konnte, oder
ich verwickelte mich ihretwegen in verfängliche Träume. Der mit der
Brust meiner Schwester gehörte noch zu den harmloseren. Man konnte
Träume hassen, wenn ihr wisst, was ich meine. Es heißt, sie
verarbeiteten Tageserlebnisse, was sie bei mir nicht taten, aber sie
ließen sozusagen tief blicken, ich meine, ich kenne mich, ein Grund
mehr dafür, warum ich von meinen Träumen lieber nichts wissen
möchte. Mal ehrlich, man träumte, als ein abscheuliches Ungeziefer
zu erwachen, Herrgott, das lernt man in der Schule, Konflikt mit den
Eltern und so weiter, Schwester Grete, die einem das Futter bringt,
in meinem Fall Milch, ich wiederhole, ich mag keine Milch, ich
wiederhole! Das mit den Buchstaben auf der Haut Veronikas, ich gebe
es zu, es ist erflunkert. Bilder, die zu Buchstaben werden, das war
so eine Idee von mir, nicht genial, weil bloß Umkehrung eines
Gemeinplatzes. In Ordnung, weil ihr keine Ruhe gebt, also dann
Buchstaben, die zu Bildern werden. Dann aber bitteschön meine
Version. Gebt es zu, man kann nichts dagegen machen. Ich gebe mich
geschlagen: Milch, herrje. Dann soll wenigstens diese Milch in
Veronikas mickrige Poren einsickern anstatt der Buchstaben, das war
doch zu schräg. Übrigens mochte sie das wirklich, es war so eine
ihrer Verrücktheiten, man sollte sie trotzdem lieben. Immer sollte
man Frauen trotzdem lieben. Das wusste jeder, dass Frauen nicht so
sind, wie man von ihnen träumt. Nicht erst, seit Teenager sich
splitterfasernackt für die Bravo selbst fotografierten. Du lieber
Himmel, was hatte ich für einen Dusel gehabt, beispielsweise mit
Veronika. Sie hatte nicht gerade die Traumfigur und sozusagen ihre
Spinnereien am Leib. Aber, Mann, da waren vielleicht ein paar
Lieschen dabei. Klar, du durftest nicht lachen, das ist wie bei
Behinderten, wenn du die anglotzt und so weiter, bist du selber
behindert. Lass dich also nicht dabei erwischen. Überhaupt habe ich
mir selber nie die Bravo gekauft, wäre unter meinem Niveau gewesen,
aber man interessierte sich schon, wenn sie irgendwo herumlag. Also
dann diese bescheuerten Jugendlichen, es war wie beim sogenannten
Unterschichtenfernsehen, sollte also irgendwie befreien, Leute so
anzuschauen, wie sie zum Teufel nun mal waren. Klar, dass man im
Spiegel kontrollierte, ob man auch so daneben aussah. Es schien ein
wirkliches Pubertätsproblem zu sein, denn diese Zweifel lagen
irgendwie hinter einem, oder man war korrupt geworden wie alle
Erwachsenen. Ehrlich, die paarmal, die ich mir nicht zu blöd vorkam,
mich splitterfasernackt im Spiegel anzugucken, fand ich mich völlig
in Ordnung. Veronika war auch in Ordnung, von der Tatsache einmal
abgesehen, dass du mit fünfzig plus minus sagen wir mal so deine
Gebrauchsspuren hast, Kumpels von mir nennen das Patina.
Ich
will mich hier nicht herausreden, die Masche mit den Tierchen konnte
mir auf den Sender gehen, wie alles, was versuchte eine Sache zu
verharmlosen, die verdammt nun einmal nicht harmlos war. Und die Art,
wie ich hier neben Veronika aufwachte, war es verdammt noch mal auch
nicht. Was sich schon daran bemerken ließ, dass ich diesen
irrsinnigen Traum hatte. Irgendwie wusste man, egal wie verdreht ein
Traum war, doch insgeheim, was es damit auf sich hatte, da half auch
kein Vergessen. Man vergaß den Traum, man wusste aber, dass man
verstanden hatte, was er bedeutete. Es war zum Mäusemelken! Ihr
wisst, dass ich den Satz hätte löschen können, es hätte aber
nichts geholfen. Es bleibt dabei, Mütter schluchzen an Telefonen,
begreifen nicht, dass wir Milch nicht mögen und setzen Schwestern
auf uns an, machten Bräute zu Schwestern, die uns in Käfer
verwandelten, und sei es bloß, um uns auf glänzendes Chitin zu
küssen.
Das
Ungeheure, Freunde, ist nicht das Ungeziefer, als das man eines
Morgens aufwacht, sondern die Tatsache, dass man gerne eines wäre.
Ich beispielsweise möchte nicht geliebt werden, so wie man mich
liebt. Dabei tue ich einiges dafür. Warum um alles in der Welt ist
man so, dass man geliebt wird, wofür man sich selber niemals lieben
würde?
Ich
gebe zu, von dieser Art ungefähr sind meine Lieblingsgedanken.
Offenbar huldige ich einem verbreiteten Hobby, dem Selbsthass als
einer verdrehten Form der Selbstverhätschelung.
Ich
bin nicht der ekelhafte Käfer, als der ich Veronika als erstes am
Morgen gerne erschreckt hätte. Wie hörte sich der frenetische
Schrei dieser entsetzten Frau für ein Insekt an? Wieder so ein
Schwachpunkt meiner armen Fantasie: Hören Insekten überhaupt? Ich
sehe, ich interessiere mich eigentlich gar nicht für den duseligen
Sechsbeiner, zu dem sein Erfinder einst Zuflucht nahm, wohl aber
dafür, wie er sich vor der Welt verkroch. Panzer meiner Einfälle,
Antennen, die blind tasten, während Veronika im Bad nebenan gurgelt.
Kennt
ihr das, inmitten einer freundlichen Welt, wie sie nicht freundlicher
sein könnte, hegt ihr garstige Gedanken, nicht aus Bosheit, sondern
aus einer Art Snobismus. Das Gute ist nicht gut, Veronika ist nicht
das frische, hübsche Mädchen, das sie wirklich ist. Warum
eigentlich könnt ihr sie nicht fröhlich und nett sein lassen wie an
diesem Morgen, wie übrigens meistens morgens? Da kommt ihr mit eurer
Käferidee, aber ja nicht im Ernst. Ein wenig Herumgealbere, also
jetzt irgend eines der anderen Tiere, die sich auch leichter spielen
lassen. Am Ende purzelt ihr noch ein wenig aufs Bett, Veronika mit
ihrem zahnpastafrischen Mund. Wer war gerade noch eine braune
Riesenkakerlake? Es war ein sonniger Morgen, wie leicht kam man zu
spät. Dabei wolltet ihr heute, definitiv, nicht hingehen, euch nicht
zur Verfügung stellen. Veronika könnte anrufen. Max sei krank, ja,
fühle sich nicht wohl, nein, es sei vorübergehend, morgen werde es
schon wieder besser gehen, andernfalls würde er sich noch einmal
melden. Quatsch, was hieß hier "noch einmal melden"! Ist
vom Zigarettenholen nicht wiedergekommen. Ja, bereits bei der Polizei
gemeldet. Es wird ihm doch nichts ... Jetzt soll Veronika schluchzen
und auflegen. lhr sagt: Kitsch. Klar ist das von der Machart her
Kitsch. Aber es ist, von der Sache her, so eine Art Lieblingstraum
von mir. Nicht dass ich das wirklich schon einmal geträumt hätte.
Es ist eben die Art von Wunschtraum, bei der ich mitgehe.
Tatsächlich
geht man hin, vielleicht nicht immer, aber immer wieder, was
möglicherweise schlimmer ist. Du gehst hin, und eigentlich bist du
nicht da, so hättest du es gerne. Das, was du gerne das Eigentliche
an dir nennen möchtest, wird nicht begutachtet, übersehen und so
weiter. Es steckt tief in dir drin, darum herum hast du, sagen wir
beispielsweise einen Panzer mit Bauch- und Rückenplatte, ihr wisst
schon, der alberne Käfer. Aber so ist es nicht, zwischen dem
Eigentlichen von dir und allem Übrigen gibt es überhaupt keinen
Unterschied.
Jetzt
stehe ich gleich in der Küche und putze mir am Spülbecken die
Zähne, etwas, was Veronika nicht mag, aber sie mag es dann doch, um
meinetwillen. Dafür höre ich im Radio mit ihr den Sender, den sie
einstellt, wenn sie zuerst beim Frühstück ist. Wenn ich fertig bin
mit Gegurgele und das Handtuch zum Trocknen aufgehängt habe, dreht
sie die Musik ab, Gott weiß, wie wir die Kunst des friedlichen
Miteinanders zusammengeschustert haben.
Es
ist versuchsweise ein Tag mit gutem Wetter, nicht mehr sommerwarm,
wenn man am Morgen das Haus verlässt, aber es in den nächsten
Stunden noch warm werden würde. Der Wagen spränge problemlos an,
warum auch heute ausgerechnet nicht? Der übliche Radiosender, würden
die Sendungen eines völlig anderen Tages abgespielt werden, sagen
wir von vor fünfzehn, zwanzig Jahren, aus Versehen geschieht so
etwas ja nicht, aber einmal angenommen, wie lange würde es wohl
dauern, bis man es merkt? Bestimmte Korrespondenten, die
beispielsweise aus den U.S.A. berichteten, waren irgendwann abgelöst
worden, die neuen Namen prägten sich einem nie so richtig ein. Nun
wäre alles wieder in Ordnung. Eigenartig, dass man wieder von
Präsident Clintons Affäre mit der Praktikantin Lewinsky erführe.
Die U.S.A. sind das Land, in dem bei einer solchen Gelegenheit
Pfarrer mit dem Präsidenten an dessen Gewissen arbeiten, mit ihm
beten, dass er etwas nicht wiedertut, was ihn in den Augen der
Öffentlichkeit unfähig sein lässt ihr Präsident zu sein.
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