Dienstag, 27. November 2018
Z. Z. II
Dienstag, 20. November 2018
Z. Z. I
His truth is marching on.
We don't need to know the way home
All we want is life beyond the Thunderdome
Samstag, 10. November 2018
S / W 1
[»Departure«, Lorena Kirk-Giannoulis (2017)]
Robert und Bertram
Zauberposse (Prolog im Himmel)
1
"...ich wiederhole man weiß nicht warum trotz Tennis die Dinge sind so man weiß nicht warum"
(Samuel Beckett)
Was sich die wenigsten klarmachen, nämlich dass man erst einmal selber glauben muss, was einem andere glauben sollen. Ich möchte sagen, das ist ja wohl logisch, und man weiß es eben auch von Lügnern, ich meine Leuten, die gewohnheitsmäßig lügen. Weil's nämlich besser ist gleich die Dinge zu erfinden, anstatt zu behaupten, das sei nun die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, was man den Leuten erzählt. Es ist natürlich klar, dass du nicht sagen kannst, ich lüge dir jetzt das und das vor. Tatsächlich ist es auch nicht ganz verkehrt, was abgefeimte Lügner einem so auftischen. Es ist geradezu die beste Technik unverblümt die Wahrheit zu servieren, wenn beispielsweise eine stinkende Lüge erwartet wird.
Mein Vater wurde nicht müde die Geschichte vom Kaffeeschmuggel zu erzählen. Ein altes Mütterchen schmuggelte ihr halbes Pfündlein Kaffee in der Eisenbahn und packte es vor den Augen eines Mitreisenden noch einmal zurecht, sich darin ergehend, der Zoll möge es doch hoffentlich nicht entdecken. Der Zollbeamte, kaum, dass er das Abteil betreten und die obligatorische Frage gestellt hatte, die üblichen Lügen überhörend, brachte den zu erwartenden Einwand hervor, es röche aber eindeutig nach Kaffee, und was er davon halten solle. Der Mitreisende des alten Mütterchens wartete nicht eine Sekunde und im Ton des braven Bürgers, der einen Schwindel nicht durchgehen lassen will und darum dem Herrn Oberzollinspektor beispringt, sprach er: "Da schauen Sie nur im Koffer der Dame nach, sie hat Kaffee darin versteckt!" Ob das stimme, wollte der Beamte wissen, und sie solle nur gefälligst den Koffer herabholen und unverzüglich öffnen, was die alte Frau unter vielem Ächzen und Jammern tat. Der Beamte konfiszierte sogleich das halbe Pfund Kaffee, wozu er seinen Gehilfen rief, der für den Abtransport der Asservaten zuständig war. Man konnte sich denken, wie über derlei Konfiskationen Buch geführt wurde und sah förmlich den Kaffee im Hause der Herren Zolleinnehmer dampfen. Kaum hatten die Uniformierten das Abteil verlassen, erhob das Mütterlein von Neuem sein Klagen und schimpfte, was für ein gemeiner Kerl ihr Mitreisender doch sei! Der indessen stand mit jovialem Lächeln auf: "Verehrtes Mütterchen", sprach er, langte nun seinerseits nach dem Koffer, der über seinem Platz in der Ablage ruhte, ließ die Schlösser aufschnappen und indem er einen Schal und sonst noch ein dünnes Kleidungsstück zur Seite schob, der Frau traten die Augen vor den Kopf, kamen etliche Päckchen Kaffee zum Vorschein. "Was der Zöllner beim Betreten des Abteils gerochen hat, war natürlich nicht Ihr eines Päckchen", wie der Frau nun auch klar wurde, die vor Staunen eine Hand mit gespreizten Fingern vor den Mund hielt, der ihr weit offen stand. Nun überreichte der Mitreisende ihr zwei seiner Pakete mit einer Verbeugung, wie es sich gehörte, die Frau aber kam mit einer solchen Unverfrorenheit nicht zurecht, denn insgeheim fand sie schon, dass man den Zoll nicht derart betrügen durfte, wie es der Reisende tat, weshalb trotz des versöhnlichen Ausgangs auf der weiteren Fahrt kein rechtes Gespräch aufkommen wollte. Denn darin sind ja die Leute sich einig, dass nämlich gelogen werden musste, aber Lüge war nicht Lüge, und davon, dass die Zöllner ihrerseits von den beschlagnahmten Waren einiges abzweigten, damit konnte man einer Frau wie ihr nicht kommen. Jawohl, es musste geschmuggelt werden in schlechten Zeiten wie den ihren, und die Staatsmacht war allzu genau, was man zurecht beklagte. Aber Recht und Ordnung mussten darum doch sein, und dass ein Mann eine alte Frau verriet, war trotzdem schlimm, noch dazu, wenn er selber offenbar wohlhabend war. Nein, Staatsdiener würden keinen Vorteil aus ihrem Amt ziehen, jedenfalls nicht in Deutschland!
Welcks und Bäumlers verlogenes Vagabundendasein war von Beginn an nichts als das zweier komischer Gestalten. Mit vollem Magen, Bouillon mit Nudeln und Klößen, ließ es sich mit Leib und Seele musizieren. Und doch: Vielleicht haben wir das Maul hin und wieder zu weit aufgerissen, Bäumler. Als Gelegenheitsdichter, Poeten, Improvisatoren, Deklamatoren, Musikfreunde und Komponisten haben wir uns so lange mit der blasphemierten Gerechtigkeitsbefehlsvollstreckungsmaschine angelegt, bis wir uns unwissentlich zu Handlangern der Braunhemden machten. Klar, du wirst mir entgegnen, man habe nicht wissen können, dass sich Strambachs Neffe zum Standartenführer hocharbeitet, zumal wir hier schon von Michels Reinkarnation reden, was selbstverständlich bisher nur wir beide wissen konnten und was hiermit klargestellt werden soll. Andererseits sind wir natürlich und tatsächlich zur Unsterblichkeit vermaledeit, Alter, und wir haben uns und den Menschen in unserer Umgebung um der Liebe einer lasziven Wirtstochter willen erheblichen Schaden zugefügt. Dieser Schaden, mein Lieber, hat dazu geführt, dass wir beinahe in Vergessenheit geraten wären – und nun gilt es mit Bedacht zu musizieren, Junge, und das Maul bloß nicht mehr allzu weit aufzureißen. Noch immer lauert überall die Gefahr, dass die Falschen applaudieren, wenn wir Muss i denn zum Städtele hinaus trällern, was sonst. Jedenfalls hat sich der Michel dem Suff ergeben und das Lenchen dem King. Wir hätten glücklich miteinander werden können, das Lenchen und ich. Das ist die Wahrheit, ohne Witz! Und, im Ernst, eine blendende Dummheit dazu. Nach dem Standartenführer stürzte sich der King in die klaffende Leere in Lenchens Brust. Für einen Herumtreiber war da wohl kein Platz mehr, oder was. Bis nach Kanada bin ich dem alten Mädchen gefolgt, wohin sie dem King nachreiste. Zuerst hatte ich ihr in Bad Nauheim ein Zimmer gemietet, von dem aus sie einen Blick auf den King zu erhaschen hoffte. Und du glaubst, Halunken kommen nicht in den Himmel? Aber was sonst denkst du, Bäumler, wo wir eigentlich sind?
Es sind skandalöse Zeiten, die wir durchlebt haben, Bäumler, gewiss. Es wird sich noch zeigen, ob wir aus unseren Fehlern gelernt haben. Rund zweihundert Jahre sollten wir bald auf dem Rücken haben, eher ein wenig mehr.”
Wie aber, Lenchen, kann es möglich sein, dass du nicht mehr wirst, wo Bäumler und ich uns fortwährend reinkarnieren? Alles am King war von Beginn an auf Unsterblichkeit angelegt und du, Lenchen, warst Feuchtigkeit und Schauer am Fuß der Bühne, Teil des Jetzt oder Nie.
Andererseits sind wir natürlich, streng genommen, auch mausetot, da kein Hahn je nach uns kräht. Wer schert sich schon noch um unsere Scherze, nachdem wir uns derart haben korrumpieren lassen. "Alle Welt amüsiert sich." - „Das mag sein, Bäumler. Aber worüber amüsiert sie sich denn so prächtig?“
Was mich am meisten an meinem momentanen Zustand des Posthumen irritiert, ist die Tatsache, dass die Geschwätzigkeit noch immer nicht aufhören will. Hat man uns zu Lebzeiten nicht geradezu eingebleut, dass nunmehr endlich Stille einkehren müsse? Schweigen. Stattdessen diese offenbar unsterblichen, altbackenen Geschichten von irgendwelchen Mütterchen oder Väterchen, was weiß ich, von denen man allerdings kaum mehr sagen kann, ob sie zu mir, zu euch oder zu ihnen gehören. Möglicherweise, denke ich jetzt, ebben sie allmählich ab, nachdem sie in der Sphäre des Ozons ausgedampft worden sind. Dass ausgerechnet du, Bäumler, an diesem Nicht-Ort, in diesem Transitraum der letzte Ansprechpartner bleiben solltest, an den ich mich in meinem Aufwärtsstreben wende, hält mich auf. Oder sollte ich vielleicht sagen, du seist es, der mich zurückhält? In meiner jenseitigen Situation bist du, Bäumler, der Lieferant dessen, was sich zu Lebzeiten an Erinnerungen aufgestaut hat. Bäumler, meine Schwerkraft. Erinnerungen an Kanada etwa, an Todesursachen, die mir zwischenzeitlich völlig abhanden gekommen zu sein schienen und sich mir nunmehr, wie aus dem Nichts, jählings aufdrängen; Erinnerungen an Stilblüten, Zollbeamte, Brillengestelle, Haustiere, Völkerwanderungen, Volkspropaganda sowie Kassiererinnen und Kassierer.
Walmart, im Walmart war ich heute 2x - es ist der nächstgelegene Laden. Mittags, um dies und jenes zu suchen und zu finden, abends nach dem ersten Sportkursversuch in der Mall, zu der auch Walmart gehört (nett, aber zu teuer und ziemlich trauriges Fitness-Studioambiente, ich werde nicht Mitglied werden - wie diese ganzen Mall-Läden überleben, ist mir nach wie vor rätselhaft. Es verirren sich immer so 10 Leutchen in die Mall). Ich liebe die Verkäuferinnen, das sind circa 1,50 m große Asiatinnen, die immer freundlichst mit auf Expedition gehen, sei es, dass man eine Butterdose sucht, sei es, dass sie einem den Billigpreis für die Fußmatte bestätigen. An der Kasse allerdings, der indisch angehauchte Typ, es wundert mich nicht, versucht natürlich zu bescheißen, sollte man bar zahlen. Man gewöhnt sich dran, besser einfach Debit Card, Bargeld unnötig.
Bei Alberta Health Care - es gibt hier Krankenversicherung! - eher so eine übliche kanadische Dame, die wohl zu oft A&W, Tim Hortons, Wendy's usw. aufgesucht hat. Bäumler ist nur umringt von hübschen upperclass-Dämchen. Das ist auch so ein Problem, allüberall auf einmal diese privilegierten ehrgeizigen couples, mit oder ohne Kinder (alle so um 8 Jahre) - das interessiert mich alles nicht. Lenchen ist tot.
Aus meiner Sicht war es lediglich eine Frage der Zeit, bis sich der Rekrut Michel ihrer entledigen würde. Ob es sich indes tatsächlich um einen Akt der Gewalt von Seiten des Rekruten gehandelt hatte, vermag ich in meiner jetzigen Situation selbstverständlich nicht mehr einzuschätzen. Unbestreitbar ist aber, dass er sich nach dem Krieg völlig aufgegeben und dem Suff ergeben hatte. Ebenso unbestreitbar ist auch, dass sein Lenchen fremdging und ihn verlassen wollte. Wie weh du Lenchens Brust durch Flucht und Bruch getan!
Bertram Welck, irgendwann gegen Ende September, der zu Lebzeiten gern einmal einen Apfel verzehrt, eine wurmstichige Frucht womöglich.
Derartige Einträge auf Kalenderblättern wollten meist nichts Gutes verheißen. Deutete doch das Verspeisen eines wurmstichigen Apfels meist auf Trennung oder Verdruss hin, so der Aberglaube.
Gestern habe ich mein Rädchen abgeholt, Goodlife Bike Shop, netter Transvestit. Auf dem Rückweg wohl doch die Oberschenkel leicht angefroren. Dabei ist der Winter derzeit harmlos. Eben so um die -10 Grad. Auch wenig Schnee, er taut immer mal weg. Heute hat es nachgeschneit, sofort hoppelten wieder die Hasen.
Einigkeit auf Erden sollte allerdings hinsichtlich der Tatsache bestehen, dass der König Elvis Aaron hieß und auch in jenseitigen Sphären weiterhin Elvis Aaron heißen würde. Every day is just blue Monday since you've been away. Since you're gone I got a mess of blues. Jedenfalls liebte das Lenchen ausschließlich den King. Weder der Biedermeier noch der Michel konnten da mehr als unmaßgebliche Lückenbüßer darstellen, Bäumler, Lückenbüßer – an uns wage ich in diesem Zusammenhang gar nicht zu denken.
Erinnerst du dich noch an das Hochzeitsfest? Damals kannte man das Lenchen noch unter dem Namen Rösel. Erinnerst du dich an ihren Gesang, Bäumler? "Gurr! Gurr! Gurr! Gurr! Gurr!" So hörte man sie die Taube nachahmen in dem Glauben, sie sei allein. "Tiu! Tiu! Tiu! Tiu! Tiu!" O Luscinia, Luscinia! "Tiu! Tiu! Wie zu dir dein Sprosser spricht! Tiu! Tiu! Tiu! Tiu! Tiu!" O Schwester der Nachtigall! There must be lights burning brighter somewhere, got to be birds flying higher in a sky more blue.
Genug davon, Bäumler! Du bist mir auf die Schliche gekommen. Selbst das inzwischen tote Lenchen verdreht mir noch immer den Kopf und nichts auf der Welt würde mich mittlerweile mehr davon abhalten ihr einen rosafarbenen Cadillac zu stehlen, wenn sie nur noch ein allerletztes Mal mit mir darin durchbrennen wollte.
"Entriegle uns, und ich schreibe mich in dein Stammbuch und bleibe dein bis in den Tod getreuer Freund -" - so zumindest, Bäumler, habe ich dir auf dem Hochzeitsfest im Jahre 1856 meinen ewigen Beistand zugeflüstert und, abgesehen von einigen wenigen Ungereimtheiten hast du dich seither seiner würdig erwiesen. Dass du allerdings schon gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts damit anfingst unsere Einkäufe getrennt auf die Fließbänder im Supermarkt zu legen, befremdet mich aufs äußerste. Auch die Tatsache, dass du in den Zeiten, in denen du dich mit einem zugegebenermaßen sehr bescheidenen Sozialhilfesatz herumschlagen musstest, nicht einmal eine Handvoll Reis mit einem kleinen Mädchen zu teilen bereit warst, befremdet mich bis heute. Haben wir uns nicht von jeher auch gemeinsam über unsere Beute hergemacht?
Nichtsdestoweniger ist deine Treue von geradezu erlesenem Wert und ich will dir gegenüber freilich nicht allzu kleinlich sein. Aber, mein Lieber, ich muss bekennen, dass ich mir auch über dich Rechenschaft abzulegen habe – solange zumindest, wie nicht zweifelsfrei bewiesen ist, ob wir einfach nur ein für allemal tot sind.
Das Wandeln unter den Toten hatte wider Erwarten doch etwas meist recht Vergnügliches, zumal ich offenbar, wenigstens in meinem momentanen Zustand, größte Handhabe über das hatte, was ich gerade sehen wollte. Der King lächelte mich an, ohne dass es einem von uns beiden in den Sinn gekommen wäre, näher aufeinander zuzugehen. Vielmehr entlarvte er den neutralen Zuschauer in mir, den erneut Verstorbenen. Das Lächeln des Königs, denke ich, enthüllte auch den Glanz eines Mannes, der sich mit der Unsterblichkeit seines Wesens endgültig im Einklang befand. Nichts deutete mehr auf Darmverschluss, Arteriosklerose oder Hypertrophie hin; keine Spur von Opiaten oder Barbituraten. Der König strahlte vielmehr das aus, was man seit Menschengedenken kraftvoll und majestätisch als ewige Jugend beschwor. Gewiss, die Vögel flogen tatsächlich höher hier oben und die Bläue des Himmels ähnelte dem Violett der hochgezogenen Lippen des Königs. "Tiu! Tiu! Tiu! Tiu! Tiu!"
Musik, Bäumler, wohin man nur lauscht. Weit entfernt, kaum hörbar, die Symphonien Ludwig van Beethovens, in äußerst langsamem Tempo, alle neun Symphonien gleichzeitig, dirigiert von einem hageren Kerl in einem Kimono aus einem Käfig heraus und, von der gegenüberliegenden Seite her, von einem kräftigen Kerl mit dunkler Hautfarbe in altägyptischer Tracht; ein ständiges Kommen und Gehen verstorbener Damen, Herren und Kinder, Musikerinnen und Musiker, Gelegenheitsdichterinnen und Gelegenheitsdichter, Poetinnen und Poeten, Improvisatorinnen und Improvisatoren, Deklamatorinnen und Deklamatoren, Musikfreundinnen und Musikfreunden, Komponistinnen und Komponisten, Tänzerinnen und Tänzer, Kassiererinnen und Kassierer, Vagabundinnen und Vagabunden. Alle sind Teil eines himmlischen Orchesters und niemand bedient sich Worten außer in Gedanken, die man lesen kann, oder in Gesängen, in denen es keine falschen Töne gibt. Alles scheint Musik zu sein hier oben, regiert allein von der Phantasie, deren pH-Wert man achtet. Die Phantasie ist eine dimensionslose Zahl, Bäumler.
Elvis riss mich unvermittelt aus meiner Andacht und vergewisserte sich, ob ich auch wirklich Gefallen an dem himmlischen Schauspiel fände. Wir seien schließlich, sagte er, verdammt dazu, ich glaube, er sagte cursed, über alle Ewigkeit hinaus zu musizieren und ihm komme als König die Aufgabe zu diese anhaltenden Saturnalien zu beaufsichtigen, supervise, sagte er, wenn ich mich nicht irre. "Wenn Sie genau hinhören," sagte Elvis sinngemäß, "hören Sie alles in diesen Symphonien, was jemals auf Erden an Musik entstanden ist, jetzt in diesem Moment. Dass Mr. Beethoven momentan so mächtig klingt, is nothing but an illusion, you know, the story is much the same as your memory, you know. Well there ain't nothing wrong with the long-haired music like Brahms, Beethoven and Bach but, well, you know, I was raised with a guitar in my hand, and I was born to rock." Schließlich fragte Elvis mich, wie ich hierher aufgestiegen sei und mit welchen Instrumenten oder Worten ich zu diesen anhaltenden Saturnalien beitragen würde, woraufhin ich meinen absichtlichen Unfall in der Kurve vom Lake Louise kommend erwähnte und ihm ein wenig zögerlich entgegnete, dass meine Teilnahme allein von der Ankunft Bäumlers abhinge, da wir ausschließlich im Duett vortrügen.
Elvis zeigte mir einen gewissermaßen himmlischen, pinkfarbenen Flügel und lud mich ein in seine Improvisation über den Trauermarsch der Eroica miteinzustimmen. Virtuos setzte er in Takt 69 mit einer Fuge in C-Dur ein, die sich zunächst der drei Themen des Marsches bediente um sich dann allmählich in Motive aufzulösen, die eher dem Blues und dem Rock zugeneigt waren. Nach und nach erkannte ich deutlich die Melodie von Hey Jude, sodass ich mich trotz meines Einwands dabei ertappte, wie ich Elvis' stakkatoartiges "Nah nah nah na-na-na-naah" mit gelegentlichen Zwischenrufen aus dem Refrain der Marseilleise zu begleiten begann: "Aux armes, citoyens, formez vos bataillons, marchons, marchons!"
Viel zu früh verschwand der König indessen aus meinem Gesichtskreis und weder die Gesangstimmen der Jordanaires noch der unermesslich große vierstimmige Chor, dessen Ode an die Freude das "Nah nah nah na-na-na naah" des Königs dennoch manches Mal zu übertönen drohten, waren nunmehr noch wahrnehmbar. Anstelle von Oratorien und Hymnen Alltagsmusik. Es blieb nichts als ein bohrender Ohrwurm sowie der Wunsch den Ort zu finden, an dem die Neuankömmlinge in Empfang genommen werden sollten. Meist sei es allerdings, so Elvis, nicht ungewöhnlich, dass die Flüchtlinge, wie man sie hier oben nannte, trotz des idealen Zustands, in dem sie sich jetzt befanden – man bedenke nur einmal die völlige Abwesenheit von Geld, Hunger oder Lust - zunächst Ablehnung und Widerwille zeigten. Bevor sich etwa Lemmy Kilmister mit seiner neuen Rolle im Orchester anfreunden konnte, soll er hartnäckig, man will es kaum glauben, auf der Notwendigkeit der Existenz eines Harmoniegesetzes der Farben nach dem Muster der musikalischen Harmonielehre gepocht haben. Das Violett des Himmels sei, davon abgesehen, so Lemmy Kilmister, totally unzumutbar und selbst, wenn dies aber die Hölle sein sollte, komme er mit diesem verdammten Schwulst hier nicht klar.
Und doch: Auch er unterwarf sich letztlich der allgegenwärtigen Dissonanz und den Götterfunken - "yeah, it's getting awfully funky in here" - des Königs der Könige und bekannte ehrfürchtig: "The King is here, now feel your fear. The King of Kings. All hail, all hail the King. On your knees, on your knees for the King. The King of Kings. There is only one."
Völlige Dunkelheit. Gelegentliches Aufflackern vager Erinnerungen an das musikalische Spektakel. "On your knees, on your knees for the King. The King of Kings. There is only one." Irgendwo muss sich unter der Vielzahl von Neuankömmlingen auch Bäumler befinden. Woher aber diese Finsternis, diese plötzliche Dunkelheit? War dies der Übergang in andere Dimensionen, parallel zum Universum, wie wir es gewöhnlich sehen? Gewiss befand sich Bäumler bereits in einer Sphäre, in der er mit seinesgleichen über Gelesenes und Gesehenes schwadronieren würde.