[»Simple
Push Robot«, Goedart Palm (2015)]
Mathematics,
rightly viewed, possesses not only truth, but supreme beauty—a
beauty cold and austere, like that of sculpture, without appeal to
any part of our weaker nature, without the gorgeous trappings of
painting or music, yet sublimely pure, and capable of a stern
perfection such as only the greatest art can show. The true spirit of
delight, the exaltation, the sense of being more than Man, which is
the touchstone of the highest excellence, is to be found in
mathematics as surely as poetry. [Bertrand Russell »Study
of Mathematics«
(1902)]
Die
quadratische Expansion eines binomischen Ausdrucks.
Ihr
Haar, bei dem man sah, wie es entgegen seinem Wuchs so frisiert war,
dass es durchaus den Kopf stolz krönte, allerdings ohne jenes letzte
Wissen um die Gesetze dieser Kunst, so dass man etwas wie mühevolle
Auflehnung derer spürte, die sich zwar von der Natur
ungerechterweise missachtet wussten, dafür aber schon Klugheit genug
besaßen, sich auf ihre Weise schadlos zu halten.
Die
schrittweise Annäherung einer Funktion an einen festen Wert, während
eine Variable gegen Unendlich strebt.
Virtuosentum
mochte immerhin etwas davon retten, was an Tugend in der alltäglichen
Welt längst verspielt war. Rechtfertigung wurde dem zuteil, der hier
Akteur war, ungeachtet der sehr dunklen Seiten der Künstlerexistenz.
Im Gegenteil, der Schauer, mit dem das Publikum auf diese blickte und
um sie wusste, war ein nicht unwesentlicher Teil des kathartischen
Mechanismus, aus dem das Kunstgeschäft sein Kapital schlug.
Die
Gleichung, bei der eine Variable im Exponenten einer Basis steht und
die Lösung durch logarithmische Umformungen bestimmt wird.
Glaubenstexte,
also alle Manifestationen dessen, womit man sich identifiziert, woran
du dein Herz hängst,
werden von Ungläubigen, also solchen in kritischer Distanz, gerade
nicht als symbolische Texte gelesen, sondern wie Berichte voller
Fehler. Das ist so, als legte man ein Bild auf eine Waage um
festzustellen, es sei zu leicht oder zu schwer.
Die
Darstellung eines Wertes als Rest einer Division durch einen festen
Divisor.
Metaphorik
des Heilseins, Euphorie der Befreitheit von der Umklammerung durch
Unwohlsein, Gegenbildlichkeit des Wunders in einer Welt, die den
Zugang zum Wissen wenig gerecht organisiert und es dadurch zum
knappen Gut macht, und damit teuer, während die Sphäre des Glaubens
und dessen, was man verehrt, anbindet an ein gnadenweise verliehenes
Erbe, den Segen einer Instanz, die das Heil verwaltet.
Begrenztheit
des Wissens durch Unüberschaubarkeit seines Umfangs und Wachstums,
aber auch durch die prinzipielle Unmöglichkeit einer Absolutheit,
Glaube dagegen, der die Allmacht einer absoluten Instanz
repräsentiert.
Skepsis
Wissensorientierung gegenüber wegen der Unzulänglichkeit einer
Weltsicht, die im Realitätsprinzip gründet, schließlich folgt die
Bewertung der Dinge nicht real erhebbaren Qualitäten, auch wenn das
dem Zeitgeist entsprechend behauptet wird, sondern Systemen einer
alternativen Logik.
Die
Darstellung der räumlichen Änderung eines Feldes durch Anwendung
partieller Ableitungen.
Schöpfung
spricht über das Dass der Welt auf dem Umweg des Wie, und zwar
mittels menschlicher und allzumenschlicher Vorstellungen, worunter
ihrerseits auch allermodernste Theorien fallen. Was sonst wären denn
die mathematischen Modelle der Astrophysik und die anderer
Naturwissenschaften! Menschliche Weltsicht soll gründen in einem
Anfangsszenario, das die Prinzipien der Weltordnung formuliert.
Wenn
sich darin ein Sinn finden lässt, dann sicherlich auch in seinem
Gegenbild, nämlich dem des Weltuntergangs. Als existenzfeindlich
erlebte Züge der Wirklichkeit finden in einem apokalyptischen
Szenario ihren Höhe- und zugleich Endpunkt. In besonderer Bedrängnis
lebende Gemeinschaften können sich dies als Erlösung von einer
leidvollen Gegenwart vorstellen, eine sie bedrückende Herrschaft
triumphiert nicht endgültig, sondern ist gleichermaßen dem
Untergang geweiht.
Angesichts
des ausbleibenden Weltuntergangs tritt die apokalyptische Tendenz
zurück. Es entstehen Strukturen der Selbstbehauptung. Idealerweise
löst die einst unterdrückte eine jetzt untergehende Macht ab und
tritt herrschend an ihre Stelle.
Die
Anpassung der Unsicherheit einer Verteilung durch gewichtete
Wahrscheinlichkeiten.
Wir
nennen es wunderbar: ein höchst beglückendes Ereignis; nicht weil
es sich jenseits der Gesetze der Natur verwirklicht, wohl aber weil
es etwas darstellt, was wir uns über die Maßen wünschen, und
dessen Verwirklichung nicht in unserer Macht steht. Möglich ist es,
dieses Glück, denn wir wünschen uns ja nichts Übernatürliches.
Was sollten wir auch anfangen mit Übernatürlichem, da wir gänzlich
im Diesseits glücklich sein wollen! Aber es wäre uns ganz und gar
unmöglich es herbeizuführen, damit es ein Glück sei. Ein Unglück
kann völlig menschengemacht sein, sogar eine Tragödie in ihrer
Unabwendbarkeit kann von einem Menschen allein entfesselt werden. Dem
Glück fehlt das Entscheidende, wenn der Glückliche, wie man sagt,
seines Glückes Schmied ist. Ja, er soll das Eisen heiß halten, der
Schmied, aber der entscheidende Schlag muss ihm gewissermaßen so
gelingen, als führte den Hammer eine außerirdische Macht.
Das
Übermächtige ist allgegenwärtig und wird zum Feind, wenn wir seine
Allgegenwart auf einen Punkt festlegen wollen um doch gegen es
anzutreten. Als gäbe es nicht Voraussetzungen und waltende Mächte
prinzipiell jenseits dessen, was unserem individuellen Einfluss
unterliegt, Schicksal, in das wir uns ergeben sollen! Resignation,
Unterwerfung, nein, aber Anerkennung solcher übermächtigen
Faktoren, deren Erforschung durchaus; ja sogar Pflicht des Versuches
der Einsichtgewinnung. Erträglichmachung der Last des Schicksals
durch Bereitschaft zum Tragen der Verantwortung für das
Unverschuldete, nicht indem man sich gewissermaßen auf seine Seite
schlägt, im Gegenteil, Schlüsse daraus zieht für sein weiteres
Tun. Einsicht heißt durchaus nicht Einvernehmen. Umgekehrt ist
Opposition nicht automatisch der Aufruf zur Rebellion. Die Übermacht
des Widrigen anzuerkennen bedeutet nicht, man sei zu dessen
Standpunkt übergelaufen. Resignation erkennt die Aussichtslosigkeit
eines Aufbegehrens an. Falls nötig, darf sogar Unterwerfung
geheuchelt werden. Eine Treuepflicht gegenüber dem Übermächtigen
besteht nicht. Das auf diese Weise erbrachte Opfer in Form von
Selbstverleugnung birgt in sich Tod und Leben gleichermaßen. Die
Entscheidung das Äußerste zu riskieren ist gerechtfertigt, wenn
dieses Äußerste nicht der eigentliche Zweck ist. Das Leben steht
immer unter der Prämisse des Todes, ihn zu leugnen heißt das Leben
zu verfehlen. Aus Furcht vor dem Scheitern zu leben ohne Ziele zu
verfolgen, für die man nicht bis zum Äußersten ginge, hieße alle
Leidenschaft mit Gleichmut zu ersticken.
Die
zeitliche und räumliche Bewegung einer Welle.
Welche
Klänge stellen Welt dar? - Das wiederholte Übermalen einer
überwuchernden Unwirtlichkeit mit den feierlichen Blue
Notes
Beethovens, unaufhaltsam, unbeirrbar. Generationen unterschiedlicher
Akzentuierungen und Tempi, Virtuosen und Wunderkinder,
Weltdarstellungen und –verbesserungen. - Soll der Klang die Welt
verbessern, sie abbilden, sie wiederherstellen? - Die Wiederholung
des Neuen, Zwang zur Innovation, der Wachstums- und
Fortschrittsillusion ganz und gar verwandt. Aufhebung oder
Verwandlung der Grammatik, der Zeichensetzung; präpositionale
Predigten, postponierte Reflexivpronomina, präparierte Klaviere,
Leerstellen, leere Saiten und Gedankenstriche. Einer sprach über
das, was Beethoven heute täte, Goethe heute dächte, Hölderlin
dichtete: Abwesenheit des Feierlichen; vermutlich. Indessen: Diktatur
des Show
Biz,
des Höchsten, des Bewährten, des Althergebrachten; unaufhaltsames
Loblied der Übereinkünfte, der Konventionen.
Die
Summe der absoluten Differenzen der Koordinaten zweier Punkte,
entsprechend der Manhattan-Metrik.
Weswegen
er den Wagen überholt habe, wollte Pietkowski von dem Taxifahrer
wissen. Damit er vor ihm sei, antwortete dieser. Ob hier nicht das
ganze Elend der Menschheit zum Ausdruck kam, fragte er sich. Gewiss,
ein wenig Sinn für Humor mochte helfen. Laut einer Benachrichtigung
der Sternwarte sollte er vor seinem Ruhestand nun noch 2992 Tage
seinen Dienst verrichten, Forschungen vorantreiben, Berechnungen
anstellen, habitable Zonen erkunden, die ihm zunehmend gleichgültiger
wurden. Der Eifer, mit dem die Astronomen noch das geringste
Anzeichen für mögliches Leben feierten, hatte unlängst begonnen,
ihm Furcht einzuflößen. Aufgeregt sprach man davon, schon bald
zusätzliche Wohnräume für die Menschheit zu schaffen. „Was
halten Sie von den Scorpions?“,
fragte der Fahrer unvermittelt. „Fetzig, oder?“ - „Möglich“,
erwiderte Pietkowski. Rote Zwerge seien äußerst vielversprechende
Kandidaten für die Suche nach bewohnbaren Planeten. „The
wind of change blows straight into the face of time“,
trällerte der Fahrer. Fressen
und Gefressenwerden, das eherne Gesetz allen Lebens, dachte
Pietkowski; nichts weiter.
Die
im Reellen nicht existierende Wurzel findet ihre Definition im
Imaginären.
Ernennung,
wie es uns biblisch erzählt wird: wo immerhin Gott den Menschen
einsetzt in sein Amt dessen, dem die
Erde untertan
sei, in dem Sinne nämlich, dass er sich ihrer annehme, zu seinem
eigenen Nutzen durchaus! Wehe ihm aber, er werfe sich auf zum
Tyrannen um sie in Angst und Schrecken zu halten, sich selbst zum
Ergötzen an seiner Willkür! Die Ausweisung aus dem Paradies
geschieht jederzeit, indem der Mensch sich der Hybris seiner
Selbstermächtigung ergibt, blind gegenüber der Tatsache, nicht bloß
seiner
Herkunft aus dem Reich der Natur,
als vielmehr ganz und gar Hervorbringung der Natur zu sein. Noch so
vielem darin mag er überlegen sein, über sie selber als ganze und
damit dasjenige, worin jedes Einzelne Teil an der Natur als ganzer
hat, kann er sich nicht erheben. Darum ist er - Schrecken der
Psychoanalyse! - nicht
Herr im eigenen Haus,
weil nicht Herr über seine eigene Natur. Die mag nun - Schrecken der
Evolutionstheorie! - ziel-, vor allem aber willenlos sein, im
Unterschied zur Willensbegabtheit ihrer Geschöpfe. Da sie aber ihre
Geschöpfe in sich einschließt, ist sie es auf diesem Wege eben
doch, nämlich Herrin über den Willen, allerdings ohne ihm überhaupt
irgendeinen Rang in der Unzahl ihrer Hervorbringungen zuzuweisen.
Denn was ist Willen denn anderes als eine Form der Motiviertheit,
nämlich als Akt des Begreifens, durchaus auf sehr unterschiedlichem
Niveau! Der Triumph, was ist er anderes als das Imponierverhalten
eines Individuums als Signal seines Ranges in einer sozialen
Hierarchie. In diesem Sinne trage der Mensch seine Krone, die er sich
zudenkt im Kontext der Welt, oder wie religiös gesprochen wird, der
Schöpfung: als Erbe eines nützlichen Verhaltensmusters, so wie es
die Natur hervorgebracht hat unter den Herden, den Rudeln, den
Staaten und was auch immer.
Die
Übereinstimmung einer unendlichen geometrischen Reihe mit einem
endlichen Wert.
Kappeser,
der aus Sträflingszeiten verschiedene Tattoos davongetragen hatte
und sie nicht etwa zeigte als modisches Accessoire und Ausbund naiver
Bilderliebe; stattdessen wurden seine grobdilettantischen Tattoos
sichtbar, wenn es sich eben nicht vermeiden ließ, und atmeten jenen
Schauer der Gezeichneten, auf die das Modetattoo zwar heimlich
schielte, den es aber angesichts der Massenhaftigkeit seines
Auftretens und Publikums niemals haben konnte, von den Anfangszeiten
der Mode einmal abgesehen.
Die
iterative Annäherung an den exakten Wert einer Quadratwurzel.
Aufklärung:
Begriff aus dem militärischen Fachjargon, bezeichnet bessere
Vernichtungsmöglichkeiten des Feindes durch klarere Sicht auf ihn,
z. B. aus Flugzeugen und Panzern; irrtümlich auch die Bezeichnung
einer Geistesepoche, die nach Angaben von wie gewöhnlich schlecht
informierten Deutsch- und Sozialkundelehrern erfolgreich
Sekundärtugenden wie Vernunft, Toleranz und Humanität gepredigt
haben soll [Andreas Egert »fehlfarbenfroh.
Aphorismen«
(2022)]
Die
Quadratur des Geistes, noch dazu unter Sphären einer kugelförmigen
Epoche, eine Aufgabe, die sich einst der Kubismus gestellt haben mag;
über ihr kreist auch der Aphorismus Andreas Egerts. Absichtsvoll
fehlerfarbenfroh schämen sich die Gedankenlose der Nieten nicht,
weil die das Spiel zum Spiel machen, in dem der Gewinn jedem
Verdienst spottet. Was wäre das Glück, sollte es absichtsvoll
herbeigeführt werden, anderes als gekaufte Liebe! Geglückt aber ist
die Verständigung mit dem Aphorismus umso mehr, wo er zum
Mitschreiben verlockt, homonymisch kalauernd, kontextlos
metaphorisierend. Zum E- gesellt sich munter der Neurotiker,
Camarillo lässt grüßen. Das Los derer mit losem Mundwerk ist das
aller Spötter: das Balancieren auf dem hohen Seil, aufgespannt
zwischen Stolz und Leid. Angstvoll blickt der Leser mit dem
Aphorismus bald in die Tiefe des Absturzes, dann aber mutig ins
Weite, Nieten hin oder her, Hauptsache sie halten Leine und Podest!