Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm. [Walter Benjamin »Über den Begriff der Geschichte, These IX« (1940)]
Verbrennen musst du dich wollen in deiner eignen Flamme: wie wolltest du neu werden, wenn du nicht erst Asche geworden bist! [Friedrich Nietzsche »Also sprach Zarathustra« (1885)]
Einen Vogel gibt es, der selbst sich erzeugt und erneuert.
Phoenix nennt der Assyrier ihn. Er lebt nicht von Frucht und
Kräutern, sondern von Zähren des Weihrauchs, vom Saft des Amomum.
Hat seines Lebens fünf Jahrhunderte dieser erfüllt, dann
baut er sich selbst mit den Klaun und dem reinen Schnabel ein Nest im
Eichengezweig oder auch im Wipfel der schwankenden Palme.
Hat er Casia dort und die Ähren der schmiegsamen Narde,
gelbliche Myrrhe dazu und gestoßenen Zimt unterbreitet,
bettet er selbst sich darauf und endet in Düften sein Leben.
Hier, so sagt man, entsteht aus dem Leibe des Vaters ein kleiner
Phoenix, dem ebensoviel an Jahren zu leben bestimmt ist.
Hat sein Alter dem die Kraft es zu tragen verliehen,
löst er des hohen Baumes Gezweig von der Last seines Nestes,
trägt seine Wiege – und das Grab seines Vaters – er fromm, und
wenn durch die flüchtige Luft er die Stadt Hyperions erreicht hat,
legt er am heiligen Tor des Sonnentempels es nieder.
[Publius Ovidius Naso »Metamorphosen«, Buch XV, V. 392 – 407 (8 n. Chr.)
in der Übertragung von Erich Rösch]
Noch einen heiligen Vogel gibt es, der heißt Phoinix. Ich habe ihn nur abgebildet gesehen, denn er kommt selten nach Ägypten, in Heliopolis sagt man, nur alle fünfhundert Jahre. Er soll nur dann kommen, wenn sein Vater gestorben ist. Wenn das Bild richtig ist, sieht er folgendermaßen aus. Sein Gefieder ist teils golden, teils ganz rot. In Bau und Größe gleicht er am meisten dem Adler. Von seinem Tun erzählt man folgendes, was mir aber nicht glaubhaft scheint. Er komme aus Arabien hergeflogen und bringe die Leiche seines Vaters, in Myrrhen gehüllt, in den Tempel des Helios, wo er sie begrabe. Er trage den Leichnam folgendermaßen. Zunächst forme er ein Ei aus Myrrhen, so groß er es tragen könne, und versuche es aufzuheben. Wenn er es erprobt, höhle er das Ei aus und lege die Leiche des Vaters hinein. Die Stelle, wo er das Ei ausgehöhlt und den Vater hineingelegt, klebe er dann wieder mit Myrrhen zu, und das Ei sei nun ebenso schwer wie vorher. Und nun trage er es nach Ägypten in den Tempel des Helios. So erzählt man von diesem Vogel. [Herodot »Historien II, 73« (5. Jahrhundert v. Chr.)]
Unsere Leidenschaften sind wahre Phönixe. Wie der alte verbrennt, steigt der neue sogleich wieder aus der Asche hervor. [Johann Wolfgang von Goethe »Die Wahlverwandtschaften« (1809)]
Das grösste Schwergewicht. – Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts, ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte: ‚Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Grosse deines Lebens muss dir wiederkommen, und Alles in der selben Reihe und Folge – und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!‘ – Würdest du dich nicht niederwerfen und mit den Zähnen knirschen und den Dämon verfluchen, der so redete? Oder hast du einmal einen ungeheuren Augenblick erlebt, wo du ihm antworten würdest: ‚du bist ein Gott und nie hörte ich Göttlicheres!‘ Wenn jener Gedanke über dich Gewalt bekäme, er würde dich, wie du bist, verwandeln und vielleicht zermalmen; die Frage bei Allem und Jedem ‚willst du diess noch einmal und noch unzählige Male?‘ würde als das grösste Schwergewicht auf deinem Handeln liegen! Oder wie müsstest du dir selber und dem Leben gut werden, um nach Nichts mehr zu verlangen, als nach dieser letzten ewigen Bestätigung und Besiegelung? [Friedrich Nietzsche, »Die fröhliche Wissenschaft IV, Aph. 341« (1882/1887)]
There was a silly damn bird called a phoenix back before Christ, every few hundred years he built a pyre and burnt himself up. He must have been the first cousin to Man. But every time he burnt himself up he sprang out of the ashes, he got himself born all over again. And it looks like we're doing the same thing, over and over, but we're got on damn thing the phoenix never had. We know the damn silly thing we just did. We know all the damn silly things we've done for a thousand years and as long as we know that and always have it around where we can see it, someday we'll stop making the goddamn funeral pyres and jumping in the middle of them. We pick up a few more people that remember every generation. [Ray Bradbury »Fahrenheit 451« (1953)]