["Winter", MM (2019)]
In
seiner zweiten Meditation hatte Descartes es als unmöglich
bezeichnet, „à concevoir la moitié d'aucune âme“.
Heute ist die halbierte Seele eine Alltagserscheinung. Tatsächlich
gibt es keinen Zug, der für den Zeitgenossen, mindestens für den
müßigen, so charakteristisch wäre wie sein Hang,
sich zwei oder mehreren disparaten Beschäftigungen zugleich
hinzugeben.
[Günther Anders, »Die
Antiquiertheit des Menschen I. Über die Seele im Zeitalter der
zweiten industriellen Revolution«
(1956)]
Die
Zusammenfügung
komplementärer Teile
ergab ebenso gut wie den archimedischen Punkt dessen zwei- oder
dreidimensionale Entsprechung, ein Kriterium, von dem man sich denken
konnte, dass es weder in der einen noch in der anderen Hälfte einen
Raum einnahm. Den Folgen, die dies hatte, war man unterworfen, ob man
es wusste oder nicht, noch umso mehr, als man nicht wollte. [B. Karl
Decker]
I.
Augenzittern
(Für A.)
Das
Schlechte
sehe
man zuerst an.
Es
ist hier
das
Draußen,
worin
man sich selber
fremd
gemacht
worden ist.
[Ernst
Bloch (1962)]
Verstört
spielte Winther mit dem Kuvert von Antonionis Brief, nach dem er
heute nicht mehr suchen wollte; vielleicht an einem anderen Tag,
dachte er, zumal er den Wortlaut der Anfrage hinreichend gut kannte.
Der Film mit dem Arbeitstitel »Nistagmo«,
von dessen Planung außer Winther nur wenige wussten, war
gewissermaßen als Antwort auf Kubricks »Eyes
Wide Shut«
konzipiert und ihm, Winther, hätte die großartige Aufgabe zuteil
werden sollen, einen musikalischen Beitrag zur Schlussfrequenz des
Film zu leisten, in der sich der Protagonist, ein römischer Arzt, in
einer bizarren, apokalyptischen Landschaft bewegt, aus der es kein
Entrinnen, kein Erwachen mehr gäbe. Reizvoll an der Szene war für
Winther die Information, dass die letzten etwa zwanzig Minuten des
Films ganz ohne Text auskommen sollten und so äußerst viel Raum für
die besondere Wirkung der Musik entstehen würde. Lange dachte
Winther über die Verwendung einer Komposition für Violine und Orgel
nach, um das Versagen einer Läuterung in der Wahrnehmung des Arztes
zu unterstreichen, hielt es aber auch für möglich das Gitarrentrio
mit dem Titel »25m²
Himmel«
zum Einsatz zu bringen, zumal beide Stücke bereits seit einem
Jahrzehnt vorlagen und eine Einspielung allenfalls ein paar
Telefongespräche benötigte. Die Notenblätter würden nun, nach dem
Tod des Meisters, weiterhin in Regalen verstaut bleiben; seine
Gelegenheit, etwa wie jüngst Jocelyn Pook, in die Riege bedeutender
Filmkomponisten aufzusteigen blieb nun bis auf weiteres ein
Hirngespinst, hätte er sich doch gern an der Seite Nino Rotas,
Bernard Herrmanns oder Michael Nymans gesehen. Besonders reizvoll
erschien ihm die geplante Mischung unterschiedlichster Genres, vom
sanftmütigen Schlager bis hin zur sperrigsten Kammermusik. Nun lag
das Werk des Meisters als abgeschlossenes Vermächtnis von der
»Chronik
einer Liebe«
bis »Eros«
vor; vielleicht würde sich Winther nun an Wenders oder Schlöndorff
wenden müssen. Dennoch, trotz aller profaner Eitelkeit und
Koketterie, schien es Winther erstrebenswert, die gängige
Wirkungskraft der sogenannten Filmmusik aus den Angeln zu heben oder
zumindest langfristig in Frage zu stellen, mochte dies auch künftig
irgendjemand anderes tun. Noch die aussagekräftigsten und
kritischsten Produktionen der vergangenen Jahrzehnte litten, und
hierin war sich Winther auch mit Schill einig, in erheblichem Maße
unter den schwulstigen, überwiegend symphonischen Werken maßlos
überbezahlter Verbrecher, wie Winther sie nannte; vielleicht sollte
er sie besser Verräter nennen. Lange hielt er die Filmmusik
insgesamt für einen großartigen Verrat am Geist der Musik überhaupt
und vertrat auch in der Öffentlichkeit gern den provokativen
Standpunkt, man müsse schlichtweg früher oder später alle Musik
von der Bildfläche verschwinden lassen, um den Raum für die ehemals
einzigartige Wirkungskraft musikalischer Ausdruckskunst wenigstens
für eine Generation Nachgeborener wiederherzustellen. Für Schill,
der Winthers rigorose Ansichten gelegentlich ein wenig zu mäßigen
und abzufedern verstand, und darüber hinaus zu dem sehr kleinen
Kreis Eingeweihter hinsichtlich Winthers jüngstem
Kompositionsauftrag gehörte, hatte die Musik im Film in keiner Weise
den Stellenwert, den Winther ihr einräumte. Schill hatte sich die
Gabe der Empathie und Identifikation, bisweilen sogar die der
Faszination zu bewahren verstanden, während die Zeichen der Zeit dem
Gebot äußerster Distanz unterlagen, alles auseinanderzudriften
schien, etwa so wie man es auch für das uns bekannte Universum
nachgewiesen hatte. Winther selbst ging mit zunehmendem Alter ebenso
auf Distanz zu allem wie die Beziehungen des römischen Arztes in
»Nistagmo«
zunehmend
in weite Ferne gerückt waren, weswegen er sich insgeheim mit dem
Arzt identifizierte, was er sich seinen wenigen Überzeugungen gemäß
selbstverständlich nur ungern eingestand. Was, so Schill, wäre
allen Ernstes gegen die Untermalung von Bildern vermittels einer
Musik einzuwenden, deren Vielfalt auf Erden nunmehr ebenso reich sei
wie es unterschiedliche Kreaturen ebendort gebe. Einwände gegen
diese Tatsache waren nach Schills Erachten rein ideologischer Art,
einer Ideologie von Puristinnen und Puristen, stammten meist von
herzlosen, zumindest wenig sinnlichen Naturen, die es unter keinen
Umständen zuließen, dass man sich etwa trotz kommunistischer
Ideale, die er für sich selbst aufrecht erhielt, einen Glauben
bewahrt habe, in romantischen Sehnsüchten schwelge oder
märchenhaften Träumereien nachlausche. Die bewegten Bilder eines
fortschreitenden Jahrhunderts, Schill erwähnte häufig Chaplin,
Spielbergs »E.
T.«,
Tolkiens »Mittelerde«,
zitierte Rilke und Rosa Luxemburg, seien längst ein anzunehmender
Teil einer freilich atomisierten Wirklichkeit, der die Mittel
herkömmlicher Dialektik kaum noch gerecht würden; Teil einer
vielschichtigeren Kritik als der zur Zeit vorherrschenden sei die
mehr als dringliche Notwendigkeit liebevoller Würdigung jeder Form
menschlichen Ausdrucks. „Noch der menschenverachtendsten
Pornographie gegenüber, des grausamsten Computerspiels, des
belanglosesten Massenprodukts oder blutrünstigsten Bildersturms im
Allgemeinen“, hörte sich Winther einwenden, der sich weiterhin
fragte, ob es nicht vielleicht doch noch immer edlere Beweggründe
geben mochte, die ihnen bekannte Welt in eine friedfertigere Richtung
zu verrücken, ihr wenigstens, wenn auch für eine breitere Masse
kaum wahrnehmbar, den einen oder anderen sanften Ruck zu versetzen.
Oder waren es andererseits, erneut gefangen in den Schellen der
Dialektik, lediglich der Antrieb zur Selbstbehauptung und die alte,
zähneklappernde Eitelkeit? O Vanitas! Vanitatum Vanitas! Könnten
Zeitläufte uns in einem barockeren Gewand begegnen als gerade in
einer Gegenwart, in der Singvögel vom Himmel stürzten oder als
Viren bezeichnete Lebewesen, ja, Lebewesen, auch wenn Einigkeit
darüber herrschte, sie vom heiligen Stand der höchsten Form allen
Lebens zu degradieren, die selbsternannte Krone der Schöpfung am
Kragen, ja, an den Lungenflügeln packten? Welten innerhalb von
Welten, Schleim und Säfte, ineinander fließend, fortgerissen ohne
Unterschied, vergänglich wie ein leichter Traum, eine Novelle bloß
der Zeit, die Augen weit geschlossen. Erneut ganz auf sich selbst
bezogen, zurückgeworfen, sehnte sich Winther nach anhaltender
Unbeschwertheit und Heiterkeit in seinem Anwesen, als eine
unkontrollierbare Schläfrigkeit Macht von ihm ergriff. [Liana Helas]
II.
In
ihrer Beziehung zur Realität des täglichen Lebens bestand die hohe
Kultur der Vergangenheit in mancherlei – in Opposition und
Ausschmückung, in Aufschrei und Resignation. Aber sie war auch die
Erscheinung des Reichs der Freiheit: die Weigerung, sich zusammen zu
nehmen. Einer solchen Weigerung läßt sich kein Riegel vorschieben,
ohne daß ein Ersatz gewährt würde, der befriedigender scheint als
die Weigerung. Die Bewältigung und Vereinigung der Gegensätze, die
in der Transformation von höherer in populäre Kultur ideologisch
verklärt wird, findet statt auf einem materiellen Boden erhöhter
Befriedigung. Dieser ist es denn auch, der eine durchgreifende
Entsublimierung gestattet. [Herbert Marcuse »Der eindimensionale
Mensch« (1964)]
Die
Kritische Theorie hat auf Menschen wie mich einen Reiz ausgeübt,
weil sie an dem revolutionären Anspruch einer fundamentalen
Veränderung der Gesellschaft festhält. Und zugleich kommt sie zu
der Einsicht, dass die bisherigen Versuche untauglich gewesen sind,
diese fundamentale Veränderung der Gesellschaft durchzusetzen. Meine
eigene Lebensgeschichte und die Erfahrungen der letzten 40 Jahre
bestärken mich darin, dass es dieser fundamentalen Veränderungen
bedurft hätte. Die Gesellschaft, in der wir leben, hat ein
ungeheuerliches Destruktionspotenzial und reproduziert es stetig. Es
hat nicht einen einfachen Fortschritt der Humanität gegeben. Auch
der Zusammenbruch der realsozialistischen Welt im Jahr 1989 hat nicht
zu einem Ende der Geschichte und der liberalen Wirklichkeit geführt,
sondern wir erleben gerade die Reproduktion uralter gefährlicher
Phänomene wie Antisemitismus und Rassismus sowie die unglaubliche
Ausweitung eines Überwachungsstaates. Man muss an diese durchaus
richtige Seite der »Dialektik
der Aufklärung«
anknüpfen. Aber man muss auch neue intellektuelle, theoretische
Mittel finden, um Möglichkeiten der Veränderung zu entdecken. In
diesem Sinne müssen wir kritische Intellektuelle unser Publikum
finden. [Achim Schill]
["Profanity", MM (2019)]
III.
Dichter
Aufgabe
und Auftrag der Dichter ist das Heilige. Es zu verteidigen gegen das
Profane stößt insbesondere auf die Schwierigkeit, dass der
überwiegenden Mehrzahl des Publikums Profanes heilig ist. Das sei
eine Meinungsfrage, meinen diejenigen jener Mehrzahl, an deren Ohr
das angesprochene Problem überhaupt dringt. In Wahrheit ist es aber
wesentlich komplizierter, indem nämlich jedes Ding zugleich heilig
und profan ist. Die Entheiligung eines Gegenstandes, der
profanerweise für heilig gehalten wird, stellt darum einen Akt der
Verteidigung des Heiligen dar.
Deshalb
gibt es den Generationenkonflikt, von Generation zu Generation aufs
Neue. Was den Alten heilig ist, das kann den Jungen erst heilig
werden. Exklusivität der älteren Generation gegenüber der jüngeren
dagegen bedeutet aus deren Sicht eine Profanierung der von jenen
vertretenen Gegenstände und Werte. Darum werden sie gestürmt und
durch andere ersetzt. Solche Tempelstürme werden zur
Gründungslegende des kommenden Establishments, werden seine Ikonen
bis zur Lächerlichkeit beibehalten, Keith Jarrett gibt Johannes
Heesters die Hand. Zum Köln Konzert sollen bisher weltweit von
Hausfrauen die meisten Fenster geputzt worden sein. An seinem ersten
Takt werden einst so viele herumgestümpert haben wie an »Für
Elise«
- halt! Ich vergaß: das Klavier ist tot.
Die
Tastatur der Gegenwart ist die, auf der dieser Text generiert wird.
Und wieder halt, und halt, halt und halt!
Das
Köln Konzert wäre also einmal heilig gewesen. Und Keith Jarrett
möge leben und so alt werden wie Johannes Heesters! Vielleicht putzt
der alte Keith Fenster zu den Klängen von "Heut' geh' ich ins
Maxim". Das wiederum könnte heilig sein, beispielsweise je
nachdem, wie sehnsuchtsvoll Keith "dort alle Damen" kennen
würde, oder die "Fröilains" der GIs? Welchen Eindruck der
alte Keith auf die Damen macht, ich habe so meine Zweifel, Frauen
mögen im allgemeinen Jazz weniger, und schon gar Männer mit
näselnder Stimme, die hypochondrisch Konzerte abbrechen, weil Leute
quatschen oder husten. Ja, der alte Keith, damals noch mit seinem
Wuschelkopf, herrje, und auch noch ohne Brille, wenn der Udo oder der
Herbert mit seinen jämmerlichen Gitarrenergüssen auch nur ein
einziges Mal so gegroovt hätten, einmal hymnisch gewesen wären wie
das Köln Konzert! 24. Januar 1975, das war ein heiliger Tag!
Die
Dichter verstummen, eingeschüchtert durch heillose Profanität, die
man ihnen zumutet in den Heiligtümern der Welt, die tagtäglich
gegen sie anbrandet. Sie fliehen in das Profane aus Sicht der vielen,
denn Heiligeres als das Heilige gibt es nicht. Die Tempel, die sie
dort errichten, wird ein künftiges Establishment für sich
reklamieren, die Götter allerdings werden dann schon lange
ausgezogen sein. Dabei ist das Heilige ja Allgemeingut, aber gerade
wiederum dieser Umstand ist sein Geheimnis. [B. Karl Decker]
IV.
Final
Fantasy
Wir
leben in einer komplexen Welt, unser Bewusstsein hat indes nicht
genug Fassungsvermögen, um alles zu überblicken und schon gar
nicht gleichzeitig, in der realen
Welt aber laufen alle verwobenen Prozesse parallel. Um dieser
erkenntnismäßigen Lücke eine Notbrücke zu bauen, haben wir
Geschichten, die unsere menschliche Existenz um einen Bedeutungskern
herum organisieren. Dabei verarbeiten wir unsere Gefühle und
Gedanken. In der westlichen Philosophie gibt es eine starke
Tendenz, Gefühle und Gedanken zu trennen, aber in
Wirklichkeit strukturieren unsere Gefühle unsere
Wahrnehmung. Wir erinnern uns durch Gefühle und das für uns
Unwichtige vergessen wir. Unsere Wahrnehmung der Welt ist hierbei
durch unsere Erwartungen geprägt, die wir an die Welt richten.
Ohne diese Vorsortierung (ja, wir dürfen ruhig sagen: Vor-urteile)
wäre unser Gehirn hoffnungslos durch die Reizüberflutung (von außen
und innen) überfordert. Wir
alle sind keine einsamen Inseln. Menschen ohne Empathie entsprechen
einem Krankheitsbild. Wir sind verbunden (mit anderen), von Anfang
an; die Nabelschnur ist das wahre Symbol des Menschseins und wenn wir
einen Menschen verlieren, der für uns von Bedeutung war, dann geht
auch ein Teil von uns 'selbst' verloren. Die 'Trennung der
Liebenden' ist eine Nahtoderfahrung im Leben. An dem Tag, an dem
wir wissen werden, was Gefühle und Bewusstsein sind, brauchen
wir keine Gottesvorstellung mehr oder einen Schöpfungsmythos. Wir
sind selbst zu Schöpfern (unserer selbst) geworden, doch dieser
Tag wird nie kommen. Die Vorstellung der Nachahmung des Bewusstseins
und der Gefühle durch künstliche Intelligenz ist eine
selbstgefällige Täuschung, eine Hybris 'transhumanistischer'
Allmachtsfantasien; eine final
fantasy
des Wahnsinns, die gesamte Natur in den (ökonomischen)
Verwertungszusammenhang einzubeziehen. Die wahre Weisheit, dies ist
eine uralte Wahrheit, liegt vielmehr in der Demut gegenüber der
Schöpfung, gleich ob 'religiös' oder 'nichtreligiös' begründet:
'Wir' sind ein Teil von ihr, vom 'Ganzen'. Indem er seinen ihm
gemäßen Platz in der Natur, in der Gesellschaft einnimmt, zeigt der
Mensch seine wahre Größe und sein Maß.
[Achim Schill]
["Mexican Limes", MM (2019)]
V.
Kunst
Wer
kennt die Einsamkeit der Kinder! Es ist die der Träume, von deren
Wahrheit wir vollkommen überzeugt sind, solange wir träumen, und
die in ein völliges Dunkel versinken, macht erst einmal das Licht
des Alltäglichen die Dinge zu dem, was sie gewöhnlich sind. Anders
die Kinder. Den Gebrauch der Dinge erlernen sie mühsam. Ein Stein in
ihrer Hand ist zuerst noch die Hand selber viel mehr als der Stein,
sein Gewicht das Hinabbiegen der Hand, die ihn mit Mühe hebt, das
Anhalten der Luft dabei. Jetzt lass ihn fallen, den schweren,
schweren Stein! Sch-sch-w-w-eeeeeer! Ob das Wort die Schwere
tatsächlich genau abbildet? Noch einmal! Sch-sch-w-w-e-e-e-eeeehr!
Auch ohne Stein: sch-sch-w-w-eeer. Nun liegt er wieder da, der Stein,
in einem Kies, den ein kaltes, klares Wasser durchspült. Es ist
Mandy, die hier spielt. Von der Mama hat sie die großen, großen
Gummistiefel an und kann schon fast richtig darin gehen. Die
Regenjacke braucht man vielleicht, auch sie ist zu groß, Mama sagt,
es müssen nicht alle Sachen neu sein. Wir haben auch kein Geld. Im
Regen darf man nicht draußen spielen. Mandys Haare sind noch etwas
nass, aber jetzt regnet es nicht mehr. Wenn man sich bückt, sieht
man die Steine im Wasser wie durch Opas Brille. Die Buchstaben
darunter fließen, wenn man die Brille bewegt. Das M kann Mandy schon
lesen. Sie bückt sich, so dass der Rand der Regenjacke ins Wasser
taucht. Es rinnt dann weiter an ihren Beinen entlang. In den Stiefeln
haben sich kleine Pfützen gebildet, die sind schon warm. "Mandie!"
Es ist schön, wenn die Mama ruft. Man kann erst noch eine Weile
abwarten, als hätte man nicht gehört. Sie wird wieder rufen.
Mandie! Es ist ein schöner Name. "Wo bleibst du denn?" Es
ist eine schöne Mama, auch wenn sie so traurig aussieht wie heute.
Jetzt freut sie sich aber. Fast wäre Mandy über die großen Stiefel
gestolpert. [B. Karl Decker]