As early as 1930 Schoenberg wrote: "Radio is an enemy, a ruthless enemy marching irresistibly forward, and any resistance is hopeless"; it "force-feeds us music . . . regardless of whether we want to hear it, or whether we can grasp it," with the result that music becomes just noise, a noise among other noises. Radio was the tiny stream it all began with. Then came other technical means for reproducing, proliferating, amplifying sound, and the stream became an enormous river. If in the past people would listen to music out of love for music, nowadays it roars everywhere and all the time, "regardless whether we want to hear it," it roars from loudspeakers, in cars, in restaurants, in elevators, in the streets, in waiting rooms, in gyms, in the earpieces of Walkmans, music rewritten, reorchestrated, abridged, and stretched out, fragments of rock, of jazz, of opera, a flood of everything jumbled together so that we don't know who composed it (music become noise is anonymous), so that we can't tell beginning from end (music become noise has no form): sewage-water music in which music is dying. [Milan Kundera »Ignorance« (2000)]
Hound Dog
You
ain't nothin' but a hound dog
Cryin' all the time
Well, you
ain't never caught no rabbit
You ain't no friend of mine
[Jerry
Leiber & Mike Stoller]
Wie esoterische Literatur, so bedeuten die Texte des Evangeliums dem Unglauben nichts, dem Glauben aber alles. Der Unglaube liest diese symbolischen Texte wie Berichte voller Fehler. Der Ungläubige legt ein Bild von Picasso auf eine Waage und findet es zu leicht oder zu schwer. Die Ungläubigen glauben nicht nichts, sondern irgendetwas.
Die berüchtigte Komik, eigene Hässlichkeiten aufs Korn zu nehmen und damit den Wind aus den Segeln der Kritiker; solche gleichermaßen als Angriff auf deren Wohlanständigkeit und ihre Prüderie, die ja das, worüber sie unglücklich ist, bedeckt und bemäntelt. Zwar ist der Witz auch eine Bemäntelung, aber doch sarkastisch eine Form der Gewinnung von Distanz und darum befreiend. Entrüstung, die der Komik wegen des Mitreißenden ihres Tempos nur wenig entgegenzusetzen hat.
Verhalten gründet beispielsweise ganz einfach auch in einem Stil. Relevant für das Hervorbringen einer Aktivität wäre ihre strukturelle Ähnlichkeit mit anderen, Handeln also im Sinne des Stils. Auf diese Weise genösse der Akteur gewissermaßen sich selber als Vertreter oder gar Schöpfer eines Stils. Unter dieser Voraussetzung wären die Gegenstände ihm wenn nicht gleichgültig, so kämen sie ihm doch gerade recht, ja sie kommen ihm geradezu entgegen, da er sie als Spiegel seiner selbst erlebt; so wie der Maler ein Bild malen will und nicht über die Last der Ausführung der Details klagt, wenn er sie nur in seinem Sinne darstellen darf. Er schafft geradezu Welt, indem die Gegenstände untereinander Verwandtschaft zeigen. Darin bilden sie Existenz ab. So wie in der wahren Welt die Dinge ihre Gegenständlichkeit besitzen, so besitzen die künstlerischen Gegenstände Stil. Dabei bilden die Kunstwerke untereinander Kontexte, mit deren Hintergründen sich das einzelne Kunstwerk ins Verhältnis setzt. Stildifferenz ist Bestandteil des Stils genauso wie die Differenz des Kunstwerks zur Realität.
Liegengelassenes heute in die Hände zu nehmen, die inzwischen alt und ruhig geworden sind, keiner Tapferkeit mehr bedürfen; solches niederschreibend die Frage bedenkend, ob es in diesem Alter noch gestattet sei und nun in Ruhe festzuhalten, was sich weder beruhigen noch festhalten ließ zu seiner Zeit! Als man sich wand vor Unüberwindlichem, wäre man da ehrlicher gewesen, und verbarg heutige Ruhe und Festigkeit nicht gerade das Wesen dessen, was sich offenbaren sollte? Allerdings: Bekenntnisse aus der Not heraus, waren sie nicht ebenso unerträglich wie die Not selber? Und wieder andererseits, dass der Offenbarung überwundener Not die Schalheit droht.
Das Radio war nicht abzuschließen wie später der Fernsehapparat in seinem Schleiflackschränkchen mit den beiden Türen und dem Schlüsselloch darin. Dabei hätte es eines Schlosses eigentlich weniger bedurft angesichts des Fernsehprogramms, das das Fernsehen auf wenige Abendstunden begrenzte, während derer ohnehin strenge Aufsicht der Erwachsenen obwaltete. Es waren die Zeiten, als man früh ins Bett musste, weil man ein Kind war, das seinen Schlaf brauchte, wie es hieß, schon wegen der Schule. Dass es geschah, weil die Erwachsenen am Abend ihre Ruhe haben wollten, ahnte man halbwegs, erlaubte sich aber nur begrenzten Groll, weil gegen sie nicht aufzukommen war, was auch noch auf unabsehbare Zeit so bleiben sollte. Zimmer für sie allein, wo Kinder vor eigenen Bildschirmen saßen und von Erwachsenen nicht gestört werden wollten, hätte sich niemand vorstellen können, natürlich auch nicht die Kinder selber.
Tagsüber war man dafür hin und wieder durchaus allein in der Wohnung, und das Radio sendete zu jeder Stunde. Wenn man es rechtzeitig ausschaltete, war es auch wieder kalt, bis die Mutter nach Hause kam. Albin fand, dass man roch, dass der Staub in dem Apparat inzwischen heiß geworden war, aber die Mutter schien es nicht zu merken. Sie hatte ein feines Gespür dafür, Dingen nicht auf den Grund zu gehen, die man nicht ändern konnte. Es war eins der Geheimnisse ihrer Autorität, die erst eines Tages an ihre Grenzen stoßen sollte, wie sich bei den Schwestern bereits erwies.
Wie die Stimmen in das Radio hineinkamen, aus dem sie heraustönten, diese Frage stellte man Kindern und kam sich dabei witzig vor. Als ob Kinder sich vorstellten, hinter dieser goldartig schimmernden Stoffverkleidung würde jemand sitzen, gar ein ganzes Orchester, wie sollte das gehen? Aber seltsam und darum umso aufregender war und blieb es. Allein schon, wie der Apparat sich aufwärmte, bevor man überhaupt etwas hörte, höchstens etwas Knistern! Das gelbliche Leuchten der Skala war allerdings gleich zur Stelle, wenn man einschaltete, wobei man darauf achten musste, die Taste auch richtig durchgedrückt zu haben, sonst befand man sich gewissermaßen im Leerlauf. Die Mittelwelle kam am leichtesten in die Gänge, indem nämlich das grüne Auge sich bald schärfte. Man musste das nicht magisch finden, wie es genannt wurde. Das anfängliche Graugrün wurde zum feinsten Strich im leuchtenden Grün. Drehte man jetzt am Lautstärkeknopf mit seinen feinen Rillen und der goldenen Mittelkappe, aber vorsichtig, es konnte sehr laut werden, dann dudelte es aus dem Radio, oder eine sonore Männerstimme sprach ernst, oder verbreitete gute Laune, je nachdem.
Die zarte Erinnerung an die, deren wir gedenken, am Leben zu erhalten, darf Wahrheit genannt werden, sie behutsam weiterzugeben, kaum wahrnehmbar für die Vielen, Geschichte; manches verblasst unaufhaltsam, Mutmaßungen um Inges Silberblick etwa, den sie davongetragen habe, weil ein Kriegsheimkehrer oder gar ein Amerikaner sie genotzüchtigt habe, ihre feinsinnige und aufgeschlossene Wesensart, gelegentlich beflügelt durch eine beinahe schon karnevaleske Fröhlichkeit und Freude am Mundartlichen, Helmut, ihr einbeiniger Lebensmensch, der Kriegsversehrte, seine amourösen Avancen, homme de lettres, dozierend und ironisch, die unerschütterliche Gewissenhaftigkeit, mit der er las, stets nur Auserlesenes, Unkorrektkeiten aufspürend, Verbesserungen vornehmend, Helmut und Inge, ein Mainzer Ehepaar, das sie geworden waren, in Trümmern sich einander nähernd, um die zwanzig Jahre alt allenfalls einst.
Ebensolche zwanzig Jahre später hatten sie sich fortgepflanzt als kindliche Erinnerungen des Betrachters von Onkel und Tante damals. Dieses Kind, meist versunken in die kleinen Schallplatten aus zum Teil biegsamem Vinyl, manche zerbrachen wohl auch unter dem unbedarften Griff des Fünfjährigen, eine Waschmitteltrommel randvoll mit Tonträgern, auf denen mit wenigen Ausnahmen die Zahl „45“ ins Auge stach, Umdrehungen pro Minute, wie man ihm erklärte, die nicht nur den Gesang des Muezzin zum Leben erweckten, sondern auch die Stimme von Connie Francis, Souvenirs, oder Elvis Presleys Hound Dog, Googoosh und die frühen Beatles. „Warum gebt ihr dem Jungen denn Schallplatten zum Spielen? Er soll doch lesen“, meinten Onkel und Tante, was er aber doch tat! „45“, las er, die Zahl, um die sich alles drehte, bald dann auch die „33“.
In umgekehrter Reihenfolge hatte es Inge mit diesen Zahlen getroffen, „33“ aufwachsend im Rausch der Epoche, Faszination und Bann von Hitlerjugend und BDM, martialisch-romantische Lieder, Heldentum und Athletismus: Wir Mädel singen. Furchtbar gern hätte sie ihre kleine Cousine Ursel zur Mitgliedschaft verführt, doch deren Vater Alois verabscheute die Braunen und gestattete dies nicht. Nach „45“ wählten Inge und Helmut die antiautoritäre Erziehung für ihre beiden Mädchen: es war verpönt, jemandem die Hand zu geben; viel mehr verstanden die Kinder ohnehin nicht.
Aber der Horst, das ist doch der Sohn von unserem Schupo.
Da kann er ja nun auch nichts dafür, so wenig wie seine beiden Brüder. Eltern hat man nun einmal. Meine habe ich mir auch nicht ausgesucht. Du schon, oder?
Wenn du das meinst, ja, irgendwie. Klar muss ich hier mitarbeiten, das ist nun einmal so, wenn ein Geschäft da ist. Als wir klein waren, meine Schwester und ich, haben wir Bäckerei gespielt und auch so kleine Sachen schon geholfen. Und jetzt helfen wir auch, weil es bei den Verkäuferinnen immer mal hakt. Tasse Kaffee ohne alles, wie immer?
Wie immer.
Kathrin saß an einem der beiden Tische, die in der Bäckerei aufgestellt waren. Durchs Fenster hatte man die Gastwirtschaft gegenüber im Blick, wo sie seit einiger Zeit begonnen hatte zu arbeiten. Der Bus fuhr nur jede Stunde einmal hierher ins Dorf. Die Bäckerei schloss um Punkt sechs. Es war schön noch eine Weile an diesem Caféhaustisch so brav zu sitzen. Drüben roch es gleich nach verschüttetem Bier und Männerwirtschaft.
So, der Kaffee, ohne alles. Lass dir ruhig Zeit, bis ich hier rauskomme, wird es leicht sieben.
Wie genau nimmt es denn dein Chef?
Nicht sonderlich, Hauptsache, ich bleibe bis zum Schluss. Da fährt dann längst kein Bus mehr. Den Rest der Nacht kann ich mich oben in dem kleinen Kabuff aufs Ohr legen. Meistens schaffe ich dann den ersten Bus am Morgen, richtig schlafen kann ich nur in meinem eigenen Bett.
Und deine Eltern machen da nicht Rabatz?
Rabatz, das war mal. Weißt du, ich bin ausgezogen. Eigentlich haben sie mich rausgeschmissen. So lange du deine Füße unter unseren Tisch stellst, und so weiter. Ich finde, das ist ein Rausschmiss.
Im Jahre 1917, das anbrach, litt Alois wieder unter einer Bronchitis, diesmal jedoch unter einer so hartnäckigen, dass sie sich trotz Trinkens und Inhalierens von Salbeitee nicht bändigen ließ. Der Husten war nun freilich nicht wie sonst durch das Rezitieren der Reden von tragischen Helden ausgelöst – die Mutter, die gerade an ganz andere Dinge dachte, erschrak oft, wenn er plötzlich Schreie der Wut, des Schreckens oder der Todesangst ausstieß -, sondern von etwas ganz anderem. Zwar hatte er vor noch nicht allzu langer Zeit einige zerfledderte Reclambändchen, die Hebbels Nibelungentragödie enthielten, gekauft, und Leo Fabers Vater band sie zu einem schmucken kleinen Buch zusammen, er hatte vorher Shakespeares Werke in imitiertes Pergament gebunden, das Alois mit einer Andacht berührte, als ob es das echte einer Gutenbergbibel gewesen wäre, und Alois schrie die Anklagen des von Hagen Tronjes Speer durchbohrten Siegfried in den Wald seines Zimmers hinein und ließ Kriemhilds Hass darin widerhallen. Aber die Ursache der Bronchitis war eine andere. Dr. Wagschal hörte Geräusche in Alois' Lunge, die nicht von lautem Rezitieren, sondern von einem Lungenspitzenkatarrh herrührten. Er verordnete ihm Tuberkolin, das Heilmittel, das Robert Koch, der Forscher und Nobelpreisträger, entwickelt hatte.
Die Geräusche waren dieselben, die er bei Alois' Mutter hörte, die laufend hustete und ausspie, ohne dass sie je etwas rezitiert hätte. Sie kamen bei ihr nicht aus den Lungenspitzen, sondern aus den Kavernen, die ihre Lunge durchlöcherten. Bei beiden, bei Mutter und Sohn, war die Kriegsfurie am Werk, die den armen Leuten nicht zu essen gab, was sie notwendig gebraucht hätten. Alois' Befinden besserte sich indessen rasch; seine Beschwerden ließen nach und verschwanden nach einiger Zeit ganz. Bei seiner Mutter verschwanden sie nicht; sie hustete, spuckte, ängstigte sich noch zwei Jahre lang und ging dann elend zugrunde.
Das Zusammensein der Freunde nahm im März 1917 ein plötzliches Ende. Leo Faber schied mit der Obersekundareife aus der Oberrealschule aus, er hatte genug von dem Kram, und machte sich daran, in der Werkstatt seines Vaters das Buchbinden zu erlernen. Es war nicht die Sache seines Herzens, nur die seiner Hände und Augen, aber er brachte es über sich, die Zeit damit auszufüllen, bis sich etwas Besseres finden würde. Und es fand sich! Insgeheim stand ihm immer schon nur eines vor Augen, und Alois wusste, was es war. Die Schwärmerei fürs Theater, die ihn von Jugend an erfüllt hatte, nahm deutlichere Konturen in Leos Geist an: er wollte Schauspieler werden. Der lebenskluge Vater verwies ihm solche Flausen, und Leo musste seinen Tod abwarten – sein Vater war herzleidend -, ehe er seinen Herzenswunsch Wirklichkeit werden sah. Seine Mutter war todunglücklich, als sie einsehen musste, dass Leo von dieser fixen Idee nicht abzubringen war. Sie zog Alois, als sie allein mit ihm im Zimmer war, ins Vertrauen und bat ihn, ihrem Sohn von dieser üblen Sache abzuraten. Alois wusste wohl, dass ein Schauspielerleben seine Schattenseiten hat, stimmte der Frau zu und versprach ihr, in diesem Sinne auf Leo einzuwirken. So überzeugt schien er von seiner Meinung, und vielleicht war er es in diesem Augenblick wirklich, dass Leos Mutter Hoffnung schöpfte; sie vertraute ihm. Andererseits war er sich im Klaren darüber, dass der Freund niemals auf seinen Wunsch verzichten werde; er würde an ihm festhalten, mochten die Schattenseiten so dunkel sein, wie sie wollten.
Er erzählte Leo von dem Gespräch, das er mit seiner Mutter geführt hatte, doch dieser winkte lächelnd ab. Er war sich seiner Sache sicher, da gab es kein Zurück. Alois hingegen war etwas bedrückt; er wusste, dass er keinen festen Standpunkt eingenommen, den Freund nicht gestützt, sondern ihn allein gelassen hatte. Du hast keinen Charakter!, sagte er sich. Doch kam das wohl daher, entschuldigte er sich, dass er mit Leos Mutter mitfühlte, dass er auch ihr gerecht werden wollte.
Wer sich sich durchsetzen will, kann nicht gerecht sein. Er muss es auf sich nehmen, anderen Unrecht zu tun. Leo tat es. Mütterchen konnte sich des beständigen Drängens schließlich nicht mehr erwehren; sie ließ den Sohn auf die Schauspielschule Kutscher nach München ziehen; das Geschäft vermietete sie. Ihre Vorstellungen von Ehrbarkeit und Solidität, ihre Wünsche nach einem gesicherten und wohlsituierten Leben des Sohnes musste sie begraben. Alois kam seltener als früher in die Willigisstraße, schließlich überhaupt nicht mehr. Er hat die Mutter des Freundes nicht wiedergesehen.
Alois' Enkel schaute zu seinem einbeinigen Onkel auf, der, was er schon früh erfuhr, Erinnerungen an Gespräche mit dem Großvater bewahrte, die er hin und wieder bruchstückartig mit anderen teilte; Gespräche über Stil und Relevanz, Realitäten und Realismus, insbesondere über Kafkas Verwandlung führten Helmut und Alois, Gespräche, die den Enkel hellhörig werden ließen. Über seine letzten Lebensjahre hinweg habe Alois bloß noch vom Bett oder Rollstuhl aus mit anderen gesprochen, da etwas in ihm das Gehen verboten hätte.
Die künstlerische Phantasie ist keine Tochter der Luft, sie ist mit der Realität verknüpft: Der Mensch ist ein antwortendes, ein arbeitendes Wesen.
Dass nämlich der Aufsteiger das Normengefüge von außen sieht und darum nicht weiß, aus welchen Gründen hier etwas getan wird: Nun kommt er ständig in Verlegenheit, weil er einen Gegenstand immer vom Ergebnis her betrachtet, wo doch aufgrund der Umstände ein Problem wohl Lösungen kennt in unbegrenzter Zahl, wenn auch nicht beliebige. Wie allerdings soll unterschieden werden zwischen Unbegrenztheit und Beliebigkeit ohne Kenntnis der Gründe?
Der Stumpfsinn ist gigantisch.
Warum es Gott nicht gibt?
Damit er nicht zu haben sei.
Kompetenz des Stils ist seine Anwendbarkeit auf die Gegenstände. Kompetenz des Künstlers ist die der Anwendung eines oder verschiedener Stile auf einen Gegenstand. Personal ist dabei die Urheberschaft des Künstlers hinsichtlich eines Stils in gleicher Weise wie bei der Originalität eines Werkes. Dabei dürfen sich die Stile eines Künstlers bis zum Widerspruch unterscheiden, auch in ein und demselben Werk. Der Stilbruch wird nicht in jedem Fall ein Werk beeinträchtigen, wenn nämlich nicht Missgeschick vorliegt, sondern Absicht, und wenn diese Absicht auf der Linie der Gesamthervorbringung liegt.
Ein Stil ist das Mittel, das es erlaubt, einen Gegenstand immer wieder in demselben Sinne darzustellen. Zufällige Abweichungen wirken dabei nicht störend, im Gegenteil, sie tragen zur Lebendigkeit und zur Authentizität der Darstellung bei. Das Entfallen des Zwanges eines identischen Abbildes verleiht dem Stil den Charakter eines Mediums, mit Hilfe dessen sich das Subjekt anhand seines Gegenstandes selbst darstellt. Selbstdarstellung des Schöpfers enthebt das Subjekt des Leides, das der Tatsache entspringt, dem Dasein unterworfen zu sein. Der schöpferische Mensch kehrt seine Unterworfenheit unter das Dasein um, indem er die von ihm ergriffenen Gegenstände zu Objekten seiner Sicht der Dinge macht. Die Autonomie des Künstlers verwandelt das Leid am Dasein zur Freude. Stil ist die Logik des Kunstwerks. Den Zeitstilen sind die Personalstile gefolgt. Im gleichen Maße, wie sie dem Künstler Erfüllung schenken, versperren sie dem Aspiranten den Weg, indem sie den Lernenden prinzipiell zum Epigonentum verurteilen.