Donnerstag, 20. Juni 2024

Z. Z. L [»Erlassene Nachworte X« (2012 - 2024)]

 


[»Die Kunst der Dialektik«, Goedart Palm (2023)]



Der Psychiater kümmert sich um die Don Juans, Romeos, Hamlets und Fauste, indem er sich um Oedipus kümmert – er heilt sie. Die Herren der Welt verlieren ihre metaphysischen Züge. Ihr Auftreten im Fernsehen, auf Pressekonferenzen, im Parlament und bei öffentlichen Kundgebungen ist kaum für ein Drama geeignet, das über das der Reklame hinausgeht, während die Konsequenzen ihres Handelns den Rahmen des Dramas überschreiten. [Herbert Marcuse »Der eindimensionale Mensch« (1964)]




[»Das Dasein II (Leicester Square Blues)«, Goedart Palm (2023)]



Auf Grund der sich aus den letzten öffentlichen Arbeiten von Poinçon und Wattmann ergebenden Existenz eines persönlichen Gottes kwakwakwakwa mit weißem Bart kwakwa außerhalb von Zeit und Raum der aus der Höhe seiner göttlichen Apathie göttlichen Athambie göttlichen Aphasie uns gern hat bis auf einige Ausnahmen man weiß nicht warum aber das kommt noch und sowie die göttliche Miranda leidet mit denen die man weiß nicht warum aber man hat ja Zeit in der Folterkammer sind in dem Feuer dessen Feuer dessen Flammen wenn es auch noch ein wenig dauert und wer kann daran zweifeln endlich alles in die Luft sprengen nämlich die Hölle an den Himmel drängen der so blau manchmal noch heute und ruhig so ruhig von einer Ruhe die wenn auch sporadisch nichtsdestoweniger willkommen ist aber greifen wir nicht vor und andererseits in Anbetracht daß im Anschluß an die unvollendeten Forschungen aber greifen wir nicht vor die unvollendeten Forschungen nichtsdestoweniger prämiert von der anthropopopometrischen Akakakakademie in Burg am Berg von Testu und Conard festgestellt wurde bei Ausschaltung aller Fehlerquellen bis auf die von den menschlichen Berechnungen untrennbaren Irrtümern daß im Anschluß an die unvollendeten unvollendeten Forschungen von Testu und Conard festgestellt gestellt gestellt wurde was folgt was folgt was nämlich folgt aber greifen wir nicht vor man weiß nicht warum im Anschluß an die Arbeiten von Poinçon und Wattmann es ebenso klar erscheint wie im Hinblick auf die Bemühungen Fartovs und Belchers unvollendet unvollendet man weiß nicht warum von Testu und Conard unvollendet unvollendet wird deutlich daß der Mensch im Gegensatz zu der entgegengesetzten Meinung daß der Mensch in Burg von Testu und Conard daß der Mensch endlich kurz daß der Mensch in Kürze endlich trotz der Fortschritte der Ernährung und der Abschaffung des Stuhlgangs im Begriff ist abzumagern und zugleich parallel verlaufend man weiß nicht warum trotz der Blüte der Leibesübungen der Praxis der Sportarten wie wie wie Tennis Fußball Rennen zu Fuß und mit dem Fahrrad Schwimmen Reiten Fliegen Siegen Tennis Kegeln Kunstlauf auf Eis und Asphalt Tennis Fliegen Sport Sport Wintersport Sommersport Herbstsport Herbstsport Tennis auf Rasen auf Tannen und auf festem Boden Fliegen Tennis Hockey zu Lande zu Wasser in der Luft Penizillin und Surrogate kurz ich wiederhole zugleich parallel verlaufend kleiner zu werden man weiß nicht warum trotz Tennis ich wiederhole Fliegen Golf mit neun und mit achtzehn Löchern Tennis auf Eis kurz man weiß nicht warum am Rhein Rhein und Ruhr Rhein und Main Main und Ruhr zugleich parallel verlaufend man weiß nicht warum abzumagern einzulaufen ich wiederhole Ruhr Main kurz mit glattem Verlust pro Nase seit Gottscheds Tod von zwei Finger hundert Gramm pro Nase grob gesagt durchschnittlich ungefähr runde Zahlen gutes Gewicht Lebendgewicht ohne Schuhe in Oldenburg man weiß nicht warum kurz endlich gar nicht wichtig die Dinge sind so und wenn man andererseits dabei bedenkt was noch schlimmer ist daß daraus hervorgeht was noch schlimmer ist daß im Lichte im Lichte der laufenden Untersuchungen von Steinweg und Petermann daraus hervorgeht was noch schlimmer ist daß daraus hervorgeht was noch schlimmer ist im Lichte im Lichte der aufgegebenen Versuche von Steinweg und Petermann daß auf dem Lande im Gebirge und am Rande des Meeres der Ströme des Wassers und des Feuers die Luft dieselbe ist und die Erde nämlich die Luft und die Erde bei der großen Kälte die Luft und die Erde gut für die Steine bei der großen Kälte leider leider in dem siebenten saeculum ihrer Ära der Äther die Erde das Meer gut für die Steine in den großen Tiefen bei der großen Kälte auf dem Meer auf der Erde und in den Lüften leider leider ich wiederhole man weiß nicht warum trotz Tennis die Dinge sind so man weiß nicht warum ich wiederhole zum folgenden kurz endlich leider leider zum folgenden für die Steine wer kann daran zweifeln ich wiederhole aber greifen wir nicht vor ich wiederhole der Kopf gleichzeitig parallel verlaufend man weiß nicht warum trotz Tennis zum folgenden der Bart die Flammen die Tränen die Steine so blau so ruhig leider leider der Kopf der Kopf der Kopf der Kopf in Oldenburg trotz Tennis Bemühungen aufgegebene unvollendete noch schlimmer die Steine kurz ich wiederhole leider leider aufgegebene unvollendete der Kopf der Kopf in Oldenburg trotz Tennis der Kopf leider leider die Steine Conard Conard … [Samuel Beckett »Warten auf Godot« (1952)]




[»Never Face The Truth«, Goedart Palm (2023)]




Spur


Jemand - das Glück - ist vor dir hergegangen und hat zart einen Pfad ausgetreten, den sieh und folge ihm! Der Weg führt, wenn du ihn bis zum Ende gehst, zu dem Ziel, das auch das Glück erreicht hat. Selber ist es demnach nicht das Ziel, das Glück, es hat aber welche und sieht sie, hell wie das Negativ einer Fotografie.



Büroflirt


Der Effekt, der gerade darin liegt, ihn nicht in eine legitime Beziehung zu verwandeln, wodurch Grenzüberschreitungen unmöglich würden infolge der Verschiebung der Grenze. Begehren dann Versorgung, jene Regelung der Triebabfuhr dahingehend, nämlich dass sie erfolgen soll ohne den Aufwand eines Reizmanagements.



Wiederum


Reife, der die ewige Jugend sich versagt, der sie sich verweigert aus Auflehnung gegen das, was sich als reif gibt, aber bloß alt ist, ja älter als alt, nämlich nur Kopie und Reproduktion eines Musters, übernommen ohne Verstand. Provozierende Unreife knabenhaften Rüpeltums ist die Verweigerung der Erwachseneninitiation durch Usurpatoren. Eine Generation, die nicht bereit oder fähig war die Verantwortung zu übernehmen für das, wofür nun einmal Verantwortung zu tragen ist, besaß keine Legitimation eine nachfolgende Generation in den Stand der Reife zu erheben. Sich einem solchen Akt zu verweigern war seinerseits ein Akt der Emanzipation. Er blieb nur den wenigen vorbehalten, die ihn selbst vollzogen, in schmerzhafter Erkenntnis des Verlusts von Tradition weit über die vorangehende Generation hinaus, indem nämlich Inanspruchnahme der Überlieferung im Kontext der Schande diese den Nachfolgenden in unerträglicher Weise beschmutzte. Aufreizende Lässigkeit junger Leute, die nicht in dem Sinne fleißig sind, wie es älteren vorschwebt, die sich für eigene Demütigungen an der folgenden Generation schadlos zu halten wünschen. Aber auch das Gespielte dieses Spieles: das Konsum-Know-How der jeweils aktuellen Generation, das Angesagtsein, unter dessen Knute sie sich duckt wie einst der Lehrling, der feilte und fegte und sich zum Friseur schicken lassen musste!



»22«


Wovon lesen wir? - Von der Unerfüllbarkeit des amerikanischen Traums: vorab Goethes Frage nach Dichtung und Wahrheit in Form der Parodie einer Posse als Vorspiel im Himmel. Der Impuls des Schlüsselromans, umgelenkt auf das Pseudonym eines Autorenduos: Was ist von wem? Bedingtheit der Identität in der genealogischen Dimension der Vätererzählung, Reflex des amerikanischen Individuums als Held sarkastisch auf die Spitze getrieben anhand von Alltagsfiguren, zum Beispiel in der Variante der Selbstoptimierung als Athlet, aber auch in Gestalt von Dutzendmenschen mit ihren Idealen, wie Jugend, Mobilität und mediale Interaktion. Roman als längere Erzählung, allerdings unter besonderer Betonung des Fragmentarischen und der gegenseitigen Spiegelung dieser Elemente; Personal und Mentalität einer Armeeeinrichtung als Hervorbringung Nachkriegsdeutschlands; psychosoziale Situation eines Helden, sein Ringen als junger Mann um Orientierung, seine Versuche sich gegen die ihn umgebende Welt zu behaupten; der weite Bogen von dort zu einer Flucht nach Osten, den die westliche Welt erst in begrenztem Maße erreicht hat.

Das Migrantische unserer Lebensgeschichten in einer weniger amerikanischen Welt wurzelnd als der Deutschlands der sechziger, siebziger Jahre; unsere Skepsis hinsichtlich eines Mythos der Befreiung durch Amerika, vielmehr das Aussichtslose von Identifikation mit den Siegern anstelle der Bereitschaft zur Selbstreflexion.

Constance, die sich aus Weisheit und mit Vernunft teils arrangiert ohne mit dem Strom zu schwimmen; Dr. Reich, der mit dem Untergang der Barbarei Deutschlands nicht zugleich alles preisgibt, was die Barbaren bereit waren mit sich in den Abgrund zu reißen; Magnus Alberti, Zyniker reinsten Wassers, Zauberer Thomas Manns, der Tickets zum Mars verkauft, Ersatzplanet für eine geplünderte und weiter zu plündernde Erde; dies an der Seite Hellas, der Matrone eines Telefonsexinstituts; Alois, pubertär verklemmter Vorfahre und Don Quichote; Sgt. Conley, charmanter Realamerikaner, solche auch alle übrigen amerikanischen Militärangehörigen, die ja für sich in Anspruch nehmen können die aktuelle Schmach der Deutschen jedenfalls nicht teilen zu müssen; Emilian, Stimme eines, für den sich Amerika bisher nicht sonderlich interessiert hat, Opponent gegen das Wertlose an sich, nicht nur in seiner Erscheinungsform des westlichen Konsumismus.

Indem die naive Kunst im etablierten Kontext an Achtung und Wertschätzung eingebüßt hat, zieht sie sich vollends nicht nur uns Private zurück, sondern manifestiert sich dort aufs Eindrücklichste, nämlich als allseits verbreitetes Tattoo.

Kappeser, der aus Sträflingszeiten verschiedene Tätowierungen davongetragen hatte und sie nicht etwa zeigte als modisches Accessoire und Ausbund naiver Bilderliebe; stattdessen wurden seine grobdilletantischen Tattoos sichtbar, wenn es sich eben nicht vermeiden ließ, und atmeten jenen Schauer der Gezeichneten, auf den das Modetattoo zwar heimlich schielte, den es aber angesichts der Massenhaftigkeit seines Auftretens und Publikums niemals haben konnte, von den Anfangszeiten dieser Mode einmal abgesehen.

Die Forderung als Mörder zu gelten, entgegen einer Differenzierung, wie sie als Überheblichkeit der Privilegierten letztlich eine gröbere Herabwürdigung für den Täter darstellte als die, eines Kapitalverbrechens schuldig zu sein! Hierarchie der Sträflinge, die die außerforensische Gesellschaftsordnung in ihr Gegenteil verkehrt, aber auch reproduziert, wenngleich in drastischster Aneignung: Totschlag, Resultat einer unbewussten Mordlust, eine solche bereits die fahrlässige Tötung, ausgelöst von einem Reflex wie bei der Mordtat des Fremden von Camus. Ressentiment Kappesers, der deklassiert sozialisiert ist und darum alle anklagt und ihnen rabiat begegnet, denen solches nicht widerfuhr.

Verstehen als Auflösung auch eines solchen neurotischen Zwanges, wobei allerdings nicht die Verstehensleistung eines Gegenübers diesen Vorgang bewerkstelligen kann, es muss ein eigenes Verstehen sein. Der manifeste Traum als Ausdruck eines Selbstbildes in seiner symbolischen, archaischen Art mit der Logik widersprechenden Einzelheiten, wie wir es von Karikaturen und naiven Bildwerken kennen: dass wir Kappesers Zwang verstehen, wird diesem noch lange nichts nutzen. Einen humanen Zug würde es bedeuten, führte ihn die erzählte Geschichte zu solcher Einsicht. Allein, diese wird ein Privileg des Lesers bleiben ...



schlaflose


Ich will die Stelle nicht antreten, wenn es wegen meiner Mutter ist, dass ich sie bekomme, noch dazu unter einem Vorgesetzten, der mich dafür verachtet und den ich ohnehin widerlich finde. Ich soll etwas arbeiten, egal wie lächerlich es ist! Ja, was man so arbeiten nennt: Erbsen zählen oder Linsen!

In mir arbeitet es, weshalb ich mich völlig außerstande fühle irgendetwas zu arbeiten. Welcher Idiot soll ich sein, andern zum Gefallen zu schuften, bloß weil man müde wird davon. Wie völlig fertig sie wieder sind, von all ihrer Arbeiterei, am wohlverdienten Feierabend in ihrer dunstigen Kneipe bei ihren dumpfen Gesprächen und ihrem Schielen nach billigen Abenteuern. Diese einzige Sauerei!

Wirkliche Arbeit kann es nur geben ohne irgendwelchen Lohn, den man ohnehin darüber vergäße in völliger Versunkenheit und Vergessen seiner selbst und aller Welt ringsum.



Tage


Der Stolz des kleinen Mannes auf seine Miniaturausgaben dessen, was die Großen sich leisteten: dabei hatten die auch ihren Kummer, wie man in den Illustrierten las. An deren Stelle mochte man eigentlich gar nicht sein. Am Ende konnten die auch nicht mehr als ein Kotlett essen! Wenn man satt war, war man eben satt. Und all das Etepetete, am Ende doch bloß anstrengend. Dabei mochte man aber nicht wissen, was bei denen abgeht, wenn sie sich fetzen. Gerade vielleicht deshalb, weil sie sich dafür ja im Grunde mehr schämen sollten als unsereiner, sollte man jedenfalls meinen. Oder Unpässlichkeiten, üble Gerüche und so weiter. Das Personal würde allerdings ein Liedchen davon zu singen wissen. Ist aber oberstes Gebot und Ehrenkodex unter denen: kein Wörtchen nach außen! Wozu war man auch Butler oder sonstwas von dem und jenem und nicht bloß Hausmeister, Putze oder Mädchen für alles.

Der Diener ist Diener seines Herren, und wenn nicht stolz auf den, so doch wenigstens stolz darauf. Loyalitätsverhältnisse hatten das so an sich, zum Beispiel Nationalstolz, von der mächtigsten Nation der Welt bis zur erbärmlichsten Bananenrepublik. Man wusste mit seinen Strolchen zu verfahren, andere hatten sich da rauszuhalten. So war das.