Freitag, 20. November 2020

Z. Z. XI [»Hinkünftige Tages- und Nervensegen II«]

 


["Sísifo", José de Ribera (1591 - 1652)]


Je laisse Sisyphe au bas de la montagne ! On retrouve toujours son fardeau. Mais Sisyphe enseigne la fidélité supérieure qui nie les dieux et soulève les rochers. Lui aussi juge que tout est bien. Cet univers désormais sans maître ne lui paraît ni stérile ni fertile. Chacun des grains de cette pierre, chaque éclat minéral de cette montagne pleine de nuit, à lui seul, forme un monde. La lutte elle-même vers les sommets suffit à remplir un cœur d'homme. Il faut imaginer Sisyphe heureux. [Albert Camus »Le Mythe de Sisyphe« (1942)]



Stapfen (Pfarrersprech IX)


Mögest du die hellen Fußstapfen des Glücks finden und ihnen auf dem ganzen Weg folgen.

Helle Fußstapfen, das muss so ein Reklame-Firlefanz der Kirche sein, wie die Turnschuhe mit Blinklichtern, die sie jetzt den kleinen Kindern kaufen. Eigentlich sind für so etwas die Großeltern zuständig, und den Eltern geht's auf die Nerven. Kommt aber auch umgekehrt vor, besonders ärgerlich, wenn das Geld schon für vernünftige Sachen nicht reicht. Neuerdings kriegt man in der Kirche dies und das geschenkt, ähnlich wie's die Parteien im Wahlkampf machen. Steht aber zu Hause länger rum, irgendwie fällt es einem schwerer etwas wegzuwerfen, was mit der Kirche zu tun hat. Weiterschenken hilft da manchmal, man kommt sich aber doch komisch dabei vor. Am schlimmsten sind Basare, Orgelpfeifen, Kirchenbänke, man kennt das, besser einfach das Geld geben und Schwamm drüber. Jetzt also "helle Fußstapfen", da können wir sehen, wie wir die wieder loswerden! [B. Karl Decker]


Die Denunzianten (Der Erzählung weiterer Teil)


Es im Denunzieren zu einiger Meisterschaft zu bringen, erforderte ein beträchtliches Maß an Übung, wie die Hinzbergers wussten, aber natürlich nicht wissen wollten, schon deshalb nicht, weil ihnen die Gehässigkeit sozusagen im Blut lag. Die Missachtung von Regeln, an sich etwas Alltägliches und im Grunde Unvermeidliches, rührte bei ihnen an einen Nerv ganz im Sinne überhaupt einer Daseinsfrage. Nicht dass sie nicht auch selber gegen Regeln verstießen, aber ganz offensichtlich machte sich, im Gegensatz zu ihnen, eben niemand die Mühe Anzeige zu erstatten. Im Gegenteil, stattdessen setzte man sich ins Unrecht durch mehr oder weniger waghalsige Racheakte.

Mit der Überwachungskamera hatte Hinzberger dokumentiert, wie ein Nachbar rechtswidrig in der Einfahrt den Wagen wusch. Diese Kamera, die eigentlich den Eingangsbereich des Hauses der Hinzbergers abdeckte, ließ sich vom Bildschirm im Büro aus schwenken, eine Möglichkeit, mit der man vorsichtig umgehen musste, weil die Drehbewegung Reflexe der Linse verursachte, etwa wie Kinder, die mit einem Spiegel spielten. Auch machte Frau Hinzberger Gezeter, die ihrem Mann vorwarf lüsterne Blicke ins Bad der Nachbarn zu werfen, was natürlich Unsinn war, weil das Badezimmer Milchglasscheiben hatte. Allerdings, Herrn Hinzberger war vor Schrecken schier das Herz stehen geblieben, schwenkte die Kamera auch über das Gartenstück, in dem sich die Nachbarin oben ohne sonnte. Man musste einmal nachforschen, ob so etwas überhaupt erlaubt war. Mit Frau Hinzberger war darüber natürlich kein vernünftiges Wort zu wechseln, weshalb er plante dieses Projekt vorerst alleine voranzutreiben.


* * *


Herr Hinzberger führte nicht nur Buch über die verschiedenen auszuführenden Arbeiten am Bau und machte Anmerkungen dazu, wie sie eigentlich anders, nämlich richtig, gemacht werden mussten, vor allem überwachte er genauestens Ankunft und Aufbruch eines jeden der auf der Baustelle eintreffenden und abfahrenden Arbeiter. Diese Liste führte er erst heimlich für sich selber, um allerdings zu gegebener Zeit doch mit den Bauherren einmal einen Abgleich vorzunehmen und ihnen die Augen zu öffnen. Schließlich wusste er am besten, dass bei nichts mehr Schindluder getrieben wurde als bei der Verrechnung der geleisteten Arbeitsstunden. Natürlich wurde auch beim Material geschummelt, weshalb er über diesen Punkt ebenfalls eine Liste führte, was schon zu Auseinandersetzungen mit den Fahrern geführt hatte. Einer hatte ihm seinen Block vor die Füße in den Dreck geschmissen, er versuchte nämlich sich seine Notizen nach Möglichkeit durch Unterschrift bestätigen zu lassen. Verwirrt oder zerstreut hatte der eine oder der andere irgendeinen Krakel auf das Blatt geschmiert. Die Sache hatte sich aber bis zum Chef herumgesprochen. "Hier wird gar nichts unterschrieben!", war der hochgegangen wie eine Rakete. Der Alte war sogar ihm selber schon ein paarmal dumm gekommen. "Ziehen Sie hier Leine, und stolpern Sie nicht in meiner Gegenwart mal übern Mörteleimer oder kriegen eine Latte an die Birne, von bisschen nachhelfen will ich lieber nichts gesagt haben!" Damit war der Krieg endgültig erklärt. Eine Anzeige wegen Beleidigung, schließlich war das Wort "Birne" gefallen, lief ins Leere oder war irgendwie verschütt gegangen. Hinzberger wusste aber, dass man bei diesem Kerl aufpassen musste. Eine Liste mit den Kennzeichen der Autos, mit denen der vorfuhr, legte er jedenfalls schon einmal an. [B. Karl Decker]


2065 (Ablässe 1. 1 – 1. 9)


2065 – 1. 1


Dass i einmal neunundneunzig Jahre alt werden würde, hätte ich mir, trotz der prophetischen Vorhersagen meiner Hausärztin, etwa um die Jahrtausendwende herum, niemals träumen lassen. Dass man hie und da noch längere, mehr oder weniger wohlgeformte Sätze, konsequenterweise Konsekutivsätze, vorfand, war freilich eines der schönsten Geschenke, die einem Greis gemacht werden konnten, auch wenn inzwischen niemand mehr 'ich' sagte, bloß eben i, allerdings ein lang gesprochenes, klein geschriebenes i; das ist nicht allzu wichtig, denke i; das große englische 'I' war dem eher keuchenden, mitunter krächzenden 'ich' seit jeher überlegen; erhabener gewissermaßen, imperialer. Man konnte diese Spielchen eine Weile mitspielen und darauf achten, ob sie etwas mit einem anstellten, ob sie den Umgang miteinander maßgeblich veränderten oder nicht. Aus meiner unmaßgeblichen Sicht haben sie zwar keinen Schaden angerichtet, die großen Feindseligkeiten konnten sie aber bisher nicht aus der Welt schaffen. Auch dass wir uns fortwährend Namen für all die Stürme und Himmelskörper erfanden, Pflanzen und Viren, denen wir die Eigenschaften eines Lebewesens absprachen, änderte rein gar nichts an unserem Ausgeliefertsein an die Erscheinungen; noch immer hielt man an den Regularien geltender Kalender fest; noch immer klammerte man sich an Kraftfahrzeuge, Religionen, Uhren oder Geld. Dass nunmehr ein neues Jahr begonnen hatte, brachte mi schon lange nit mehr aus der Fassung.


2065 – 1. 2


Zeit seines Lebens hielt ihn das Wunder, die Wunde der Wörter, auf Trab, wie einen Kuhjungen das Rodeo. Du wächst hinein in dieses Labyrinth, orientierst dich darin, mit Redensarten im Gepäck, mehr schlecht als recht zum Beispiel, gewöhnst dich an deine Ausrüstung, reagierst leicht gereizt über die Ausweichmanöver derjenigen, die sich nach dir ins Labyrinth begeben, möglicherweise sogar deinen Weg kreuzen, dich in ihre Nischen zu zerren versuchen, in denen sie sich eingerichtet haben, und dabei auch noch den Mund verziehen; es sieht so aus, als würden sie mit dir spielen wollen; sie grinsen.


2065 - 1. 3


Es ist absehbar, dass die Aufzeichnungen ebenso abrupt enden werden wie sie irgendwann einmal begonnen haben. Der Eintrag mit der Datierung 1977 – 4. 23 gibt Aufschluss über die Freude, die der Buchhalter darüber empfunden haben musste, als seine Erzeuger ihm einen Zehnmarkschein zusteckten, mit dem er ein Exemplar der Langspielplatte Magical Mystery Tour erwarb. „Danach gingen wir Fisch essen“, heißt es weiter, „und ich bekam später die zweite LP von Paul Anka. Sie kostete drei Mark, aber der Haken war, ich brauchte einen Club-Ausweis, um sie zu bekommen. Das wußte ich jedoch vorher nicht. Aber als ich an der Kasse stand und die Verkäuferin mich aufklärte, sagte eine nette junge Frau, daß sie die Platte für mich nehmen wolle und so bekam ich sie dann, - obwohl ich die Platte, als ich sie gehörte hatte, gar nicht so besonders fand!“ Was für ein Knirps! Worin er einen Glückstag für sich sah, erkannten andere möglicherweise bloß eine belanglose Begebenheit, einen Kaufrausch; vielleicht lag hierin eines der Geheimnisse des Altwerdens, nämlich Glückstage zu erhaschen; vielleicht lag es aber auch an den Unmengen von genmanipuliertem Käse, den der Knirps seitdem verschlungen hatte, dass er sich nunmehr einen Greis nennen durfte. Und was hatte er an Käse, auch sehr feinem, und an Musik nicht alles in sich hineingefressen! Noch immer, sehr leise, manchmal kaum noch wahrnehmbar, verzehrte der Greis Tag für Tag sehr streng nach dem Zufall ausgewählte, höchst komprimierte Datenmengen an Klängen und Geräusch.


2065 – 1. 4


Es hatte sich nichts Wesentliches geändert; allenfalls, dass kaum einer mehr von Dystopien etwas wissen wollte (oder konnte), über die ich schon staunte, als ich noch keinen Bartwuchs hatte. Sic! Ohnehin begegnete ich kaum noch lebendigen Wesen; diejenigen, die nach den großen Wirbelstürmen geboren worden waren, erinnerten mich beinahe alle an den Autisten Klaus, mit dem ich zwischen 1985 - 12 und 1987 - 7 einige Zeit verbrachte. Etwas in Klaus, einem etwa zwei Meter großen Mann von damals rund dreißig Jahren, vermittelte den Eindruck, dass er spürte, ja vielleicht sogar sehr genau wusste, wie er seine Umgebung mit dem im Rundfunk aufgeschnappten Potpourri aus Werbesprüchen belustigen würde: „Wir reißen uns sechs Beine für Sie aus! Vorsprung durch Technik. Schönes Haar ist dir gegeben. Pausen sind lila, Pausen sind lila. Vorsprung durch Technik. Vorsprung, Vorsprung. Sechs Beine für Sie! Pausen, Pausen; lila. Verlässlichkeit für viele, viele Jahre. Man gönnt sich ja sonst nichts! Pausen sind lila, lila, lila. 8 mal 4, 8 mal 4. Nicht nur sauber, sondern rein! Man gönnt sich ja sonst nichts! Rein, rein, rein. Man gönnt sich ja sonst nichts!“ Die Sprüche waren seit geraumer Zeit, wie man sagt, auf die Nachfrage zugeschnitten: auf Verstopfung, Hygiene, Anästhesie, Well- und Fitness, Stimmungsaufheller und Fortpflanzungssimulatoren; nach wie vor aber auf Düfte und Aromen mit allerlei exotischen Namen. Ein anderer warf mit Stühlen, wenn das Wetter in geringfügigster Weise von der Vorhersage abwich; er sah ein wenig aus wie Anthony Perkins in seinen Rollen als Norman Bates oder Josef K., an die sich heute kaum noch einer erinnern wird, da man das Interesse an Filmen ebenso verloren hatte wie das Interesse an umfangreicheren Schriftstücken. Freilich schnappte man noch, ähnlich wie Klaus, Bruchstücke aus Literatur und Philosophie auf, wenn man sich einen sozialen Nutzen oder Vorteil davon versprach.


2065 – 1. 5


Heute Nacht von Duke Ellington geträumt: Bei einem Kaffeekränzchen in einem altmodisch eingerichteten Wintergarten tauchte der Duke unvermittelt auf, schlug eine Glaspuppe mit einem hellblauen, bayrischen Blumenkleid mit den Füßen so lange auf den gedeckten Tisch, bis sie zerschellte. Die anwesenden Gäste, fast ausschließlich Damen in meinem Alter, klatschten begeistert in die Hände; einige begannen hemmungslos zu schreien, ganz so als handele es sich nicht um den Duke, sondern vielmehr um die Wiederkehr Elvis Presleys. In der schier nicht enden wollenden Extase verschwand der Duke schließlich. Später gab er im Wohnzimmer des gleichen Anwesens vor demselben Publikum eine Kostprobe seines Könnens auf einer Konzertgitarre, deren obere Zarge er fest gegen seinen Unterleib presste, während er mit seinen Zähnen die Stimmwirbel drehte. Das Griffbrett bearbeitete er virtuos mit der rechten Hand und hin und wieder konnte man Motive aus What Am I Here For und Day Dream erkennen. Als die begeisterte Zuhörerschaft den Vortrag mit ihrem Gesang zu unterstützen begann, wachte ich auf mit den Worten: „Daydream, why do you haunt me so?“


2065 – 1. 6


Der viel diskutierte Politologe und Verschwörungstheoretiker Palopp, der es bemerkenswerterweise für einen Teil der Verschwörung hielt, dass man ihn als Verschwörungstheoretiker bezeichnete, hatte schon zu Beginn der durchseuchten Zwanzigerjahre zu einer Demonstration in einer mittelgroßen Stadt, etwa in der Mitte des Landes, aufgerufen, auf der man mit Sprechchören wie »Wir sind wir!« durch die Straßen zog. Anlass für den Aufmarsch waren unter anderem erweiterte Hygieneschutzmaßnahmen sowie die dauerhafte Ansiedlung sogenannter »Halbmenschen« auf dem Planeten März; sein bedeutendstes Projekt aber bestand in dem leidenschaftlichen Aufruf, die amerikanischen Kontinente den Ureinwohnern zurückzugeben: »Wir sind wir! Wir sind wir! Wir sind wir!« Palopp scharte Redner um sich, die die Regierung vor Gericht stellen, eine neue Verfassung aufsetzen und zu einer kritischen Masse aufrufen wollte: »Wir haben keine Armeen, wir haben keine Waffen! Wir lassen uns nicht degradieren zu Biorobotern. Wir sind wir!« Die Stimmen wurden bald lauter, bald wieder leiser, suchten Zuflucht in der Hoffnung, dass allen Trümmern der Vergangenheit zum Trotz noch nicht alles ausgeschöpft worden sei, dass Heroismus und Revolution sich auf schmalen Wegen doch noch mit antiker Weisheit verbinden lassen würden, es einen Volkswillen geben könne, der endlich in Einigkeit und Seligkeit zur Freiheit führe. Der Stein rollt wieder. »Es werde Recht!« In den Dreißigerjahren soll sich Palopp nach Argentinien abgesetzt haben, um dort seinen Kampf gegen den Gipfel fortzusetzen. Seine Nachfahren behaupten, er sei ein glücklicher Mensch gewesen. Gerüchten zufolge soll Palopp auf einem kleinen Friedhof im Département Vaucluse bestattet worden sein.


2065 – 1. 7


Neuerdings erhielten Neugeborene überwiegend Namen, die entweder dem medizinischen Fachvokabular oder dem der Automobilbranche entstammten. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich seit mindestens einem Jahrzehnt männliche Vornamen wie Dekubitus (Kubi), Dermatom (Dermi), Heck oder Kolben sowie weibliche wie Slicks, Gingiva, Hypnotika oder Plasma. Die Eltern hießen meist Tesla, Adipositas, Dopamin oder Elon. Dass das Bedürfnis nach Science Fiction nach und nach verschwunden war, leuchtete mir ein.


2065 – 1. 8


Obacht! - Schleichend verschwand die lineare Zeit in den Assoziationsmechanismen schon der Großmutter. Wirst du den Übergang bemerken? Wirst auch du in deinen Vergangenheiten die Besinnung verlieren? Die Großmutter berichtete von berittenen Soldaten im Ersten Weltkrieg, befand sich im nächsten Moment ganz in einem Streitgespräch mit ihrem Ehemann über eine Dose Ananas für die Kinder, plötzlich selbst ein Kind, sang sie ein Lied auf einem gestohlenen Motorrad fahrend, stahl Kartoffeln im Zweiten Weltkrieg, trug den Ehemann die Treppen hinauf und hinab, lachte und weinte und nässte sich ein.


2065 – 1. 9


Etwa um das fünfzigste Lebensjahr des Greises herum begann die Menschheit als Ganzes in Digits zu denken. Alles sollte zu Digits werden, weil dies unser Dasein erleichtere, uns endlich in einen Zustand versetze, in dem alles gut werden müsse: „Sei in Digits!“ - Ganze Völker sangen nun, gleich ob links oder rechts, gelb, rot, weiß oder schwarz, in wachsender Lautstärke, in unterschiedlichen Tonlagen und Harmonien, vollumfänglich und nachhaltig, weltlich und geistlich, den Siegeschor des Absurden: „Alles gut, alles gut!“ [Liana Helas]




["Thanatos II", Jacek Maleczewski (1854 - 1929)]



Unseglich (Pfarrersprech X)


Möge Klarheit sich spiegeln auf dem Grunde deines Herzens. Rein sei deine Seele wie ein See in der Stille des Gebirges.

(Volksweisheit / Volksgut: Dieser schöne irische Segenswunsch ist vielleicht besonders für liebe Menschen geeignet, die gerade vor einer Entscheidung stehen und sich nicht ganz klar darüber sind, welchen Weg sie einschlagen sollen.)


Wenn mir etwas klar geworden ist, wundere ich mich als mein bester Kumpel darüber, wie blöd ich eigentlich sein konnte.

Meistens kommt man ja zu Einsichten, die andere längst haben; bloß, dass einem das bis dahin nichts nützt.

Was anderes ist, nicht zu wissen, was man will. Die meisten haben damit kein Problem, weil sie normalerweise unzufrieden sind; schließlich haben andere Leute, was ihnen aber noch fehlt.

Fatal wäre demnach, wenn dir nicht weiter fehlt, was andere haben. Das wäre eine Art Antriebslosigkeit, aber auch Freiheit von Bedingungen, die nun mal dem gestellt werden, der etwas verlangt. Dein Herz schlägt indessen unbemerkt seinen Takt, die Zeit ist vorübergegangen in Tun oder Nichtstun; man könnte nicht sagen, welches von beidem. Bist du denn nun auf deinem Weg rechts abgebogen, oder links, oder gar nicht? [B. Karl Decker]



Dienstag, 10. November 2020

Bzw. ۲ ۴ ۷ [»Muzică de dans - Selected Piano Pieces in an Ancient Style II« (1992/93) by R. A. ol-Omoum]

 


["Danse Macabre II", Suria Kassimi]


Wo immer der Tanzende mit dem Fuß auftritt, da entspringt dem Staub ein Quell des Lebens. 

[Dschalal ad-Din Muhammad Rumi]




["Klavierstück I"]



Mein Tanzlied


Aus mir braust finstre Tanzmusik,

Meine Seele kracht in tausend Stücken;

Der Teufel holt sich mein Mißgeschick,

Um es ans brandige Herz zu drücken.


Die Rosen fliegen mir aus dem Haar

Und mein Leben saust nach allen Seiten,

So tanz ich schon seit tausend Jahr,

Seit meiner ersten Ewigkeiten.

[Else Lasker-Schüler]




["Danse Macabre III", Suria Kassimi]



Die Guten gehn im gleichen Schritt.

Ohne von ihnen zu wissen, tanzen die anderen um sie die Tänze der Zeit.

[Franz Kafka]







["Klavierstück XII"]



The desires of the heart are as crooked as corkscrews

Not to be born is the best for man

The second best is a formal order

The dance's pattern, dance while you can.

Dance, dance, for the figure is easy

The tune is catching and will not stop

Dance till the stars come down from the rafters

Dance, dance, dance till you drop.

[W. H. Auden]





["Klavierstück VIII"]



Nur im Tanze weiß ich der höchsten Dinge Gleichnis zu reden.

[Friedrich Nietzsche]




["Danse Macabre I", Suria Kassimi]



I have only danced my life. As a child I danced the spontaneous joy of growing things. As an adolescent, I danced with joy turning to apprehension of the first realisation of tragic undercurrents; apprehension of the pitiless brutality and crushing progress of life. [Isadora Duncan]





["Klavierstück V"]


I hope that schools have changed since I was a little girl. My memory of the teaching of the public schools is that it showed the brutal incomprehension of children. [Isadora Duncan]





I believe that we learn by practice. Whether it means to learn to dance by practicing dancing or to learn to live by practicing living, the principles are the same. In each, it is the performance of a dedicated precise set of acts, physical or intellectual, from which comes shape of achievement, a sense of one's being, a satisfaction of spirit. One becomes, in some area, an athlete of God. Practice means to perform, over and over again in the face of all obstacles, some act of vision, of faith, of desire. Practice is a means of inviting the perfection desired. [Martha Graham]